Offline- vs. Online-Handel: Wie sinnvoll ist der "Selbstbestimmte Sonntag"?

Um gegen die Online-Konkurrenz bestehen zu können, wollen stationäre Händler künftig selbst entscheiden, ob sie an Sonntagen ihre Geschäfte häufiger öffnen. Wir haben einige Experten und Händler gefragt, was sie von dieser Initiative halten und ob sie glauben, dass diese Maßnahme die Online-Shopper zum Kauf im stationären Handel bewegen kann.
Ralf Mager, Head of E-Commerce & Online-Marketing bei Lodenfrey
"Der 'Selbstbestimmte Sonntag' ist wahrscheinlich für Unternehmen interessant, die den Multichannel-Ansatz verpasst haben. Händler, die bereits alle Kanäle bespielen, freuen sich im Online-Bereich über jeden Sonntag. Klar ist der Sonntag online der stärkste Tag. Allerdings auch nur, weil die Mitarbeiter aus dem Handel ihre Einkäufe tätigen können. Ich glaube, der stationäre Handel sollte mit echten Vorteilen wie Service und Beratung punkten und nicht mit einem weiteren Öffnungstag. Die Probleme mit den Gewerkschaften, Betriebsräten und dann auch mit den gestiegen Kosten möchte sich der Handel sicher auch gern ersparen."

Stefan Genth, HDE-Hauptgeschäftsführer
"Es ist richtig, wenn der Handel seine Stimme erhebt: Die Klagen von Verdi machen die Sonntagsöffnungen gegenwärtig de facto unmöglich. Das schadet unseren Unternehmen, den Mitarbeitern und den Innenstädten, die mit rückläufigen Besucherfrequenzen kämpfen. Unsere Kunden wollen beides: Online shoppen und das Einkaufserlebnis in der Innenstadt. Und unsere Händler wollen und können ihnen beides bieten."

Thorben Fasching, Vizepräsident des BVDW
"Der traditionelle Handel muss Online endlich als Chance wahrnehmen statt es als Bedrohung abzuwehren. In der symbiotischen Verzahnung liegt die Zukunft des Handels. Vor allem, weil es den Bedürfnissen und Wünschen der Käufer entspricht. Die Herausforderung liegt doch vor allem darin, den Handel übergreifend und unabhängig vom Kontaktpunkt zu begreifen. Es erscheint fast naiv zu glauben, dass Kunden am Sonntag nur deshalb online shoppen, weil die Geschäfte geschlossen sind. Aber grundsätzlich kommt es dem Käuferverhalten entgegen, wenn die Öffnungszeiten erweitert werden."

Martin Himmel, Geschäftsführender Gesellschafter, ecom consulting
"Verkaufsoffene Sonntage sind in jedem Fall ein zusätzlicher Anreiz zum 'Bummeln' durch die Innenstädte. Denn unpassende Öffnungszeiten sind noch immer für viele Kunden ein Grund, nicht in die Städte zu fahren, sondern stattdessen lieber online 24/7 einzukaufen. Die Erweiterung der Öffnungszeiten im stationären Handel senkt diese Barriere. Eingeschworene E-Shopper werden deswegen nicht weniger online bestellen, aber vielleicht mehr offline einkaufen. Denn Ladengeschäfte bieten auch Vorteile, die Heavy E-Commerce-User schätzen: Produkte können haptisch 'erlebt' werden und sind unmittelbar verfügbar."

Armin Devender, Verkaufschef Galeria Kaufhof und HBC Europe
"Die Initiative 'Selbstbestimmter Sonntag' fordert eine generelle Freigabe der Sonntagsöffnung. Händler, Kunden und Mitarbeiter sollten ohne staatliche Bevormundung frei entscheiden können, ob sie an Sonntagen öffnen, einkaufen oder arbeiten wollen. Diese Forderung gilt bundesweit und ist völlig unabhängig von aktuell bestehenden Regelungen in Bundesländern und Kommunen. Wir verstehen sie als grundsätzliche Haltung, um bestehende Wettbewerbsverzerrungen abzubauen, die Entscheidungsfreiheit für Verbraucher zu erhöhen und die Attraktivität der Innenstädte weiter zu steigern."

Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer des bevh
"Grundsätzlich ist eine Liberalisierung im Sinne der Kunden gut, da diese somit eine größere Flexibilität in ihrem Einkaufsverhalten haben. Seit Jahren fordern wir als bevh mehr Selbstbestimmung im Handel. Eine Unterbrechung der Serviceleistungen an Sonn- und Feiertagen ist auch für E-Commerce-Unternehmen und Versandhändler keine Option. Als einen gegen den Onlinehandel gerichteten Vorstoß halten wir die Initiative 'Selbstbestimmter Sonntag' allerdings für Unsinn. Unsere aktuellste Studie belegt, dass Konsumenten am liebsten samstags im Internet shoppen, obwohl sie in Geschäften einkaufen können. Aus Kundensicht kann man heutzutage Online- und Offlinehandel nicht mehr gegeneinander ausspielen."