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Karton mit Smartphones

Gastkommentar Recht auf Reparatur: Es braucht Gesetze, die Hersteller in die Pflicht nehmen!

Shutterstock/ArieStudio
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Passend zum World Earth Day am 22. April fordert Martin Hügli, General Manger bei Back Market: Wirtschaft und Politik müssen Kunden für das Thema Nachhaltigkeit und Recycling sensibilisieren und den richtigen gesetzlichen Rahmen für entsprechende Angebote schaffen.

Von Martin Hügli, General Manager für Deutschland und Österreich beim Fairtech-Start-up Back Market

Ungefähr 200 Millionen fabrikneue Smartphones werden in Europa pro Jahr verkauft, also fast 380 Neugeräte pro Minute. Viel zu oft verschwindet gleichzeitig ein funktionsfähiges Smartphone in der Schublade des Käufers. So haben sich bereits knapp 200 Millionen Handys allein in deutschen Schubladen angesammelt.

Dabei würden 77 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten in Europa ihre kaputten Smartphones lieber reparieren, als sie auszutauschen, beziehungsweise recyceln zu lassen. Doch nur elf Prozent von ihnen tun das tatsächlich.

Die Folgen: Immer mehr Elektroschrott, insgesamt 57 Millionen Tonnen waren es weltweit im Jahr 2021. Ursache dafür ist nicht etwa die Wegwerfmentalität der Verbraucher, sondern schlicht der Umstand, dass sie Reparaturen als zu aufwendig und als zu teuer wahrnehmen.

Dass sie mit diesem Gefühl gar nicht so falsch liegen, zeigt etwa das Beispiel der Lithium-Ionen-Batterien, die in vielen Smartphones oder Laptops fest verbaut sind und sich nur schwer austauschen oder reparieren lassen. Gleichzeitig geht aber fast die Hälfte der Reparaturen von Smartphones auf den Austausch von Akkus zurück (42 Prozent). Auch das weltweit geltende Werbeverbot für freie (Elektronik-)Werkstätten durch Google ist da wenig hilfreich. 

Wirtschaft und Politik sind gefordert

An genau diesem Punkt sind Wirtschaft und Politik gefordert. Wir als Wirtschaft haben es in der Hand, unsere Kundinnen und Kunden für das Thema zu sensibilisieren, ihr Bewusstsein zu schärfen und letztlich auch die Reparatur von Endgeräten durch attraktive Angebote zu erleichtern.

Die Politik wiederum kann als Legislative den richtigen gesetzlichen Rahmen schaffen. Die Bundesregierung sollte sich daher auf EU-Ebene aktiv für ein ambitioniertes "Recht auf Reparatur" einsetzen, das es den Menschen erleichtern würde, ihr Gerät wahlweise selbst wieder instand zu setzen oder reparieren zu lassen.

Die Forderungen beinhalten unter anderen die vereinfachte Demontage von Smartphones, was keine fest zusammengeklebten oder gar verschweißten Teile bedeutet: faire und transparente Preise von Ersatzteilen, sowohl für Verbraucher als auch für professionelle Reparateure; oder aber die Bereitstellung von Reparaturinformationen und langfristigen Software- und Sicherheitsupdates durch den Hersteller für die gesamte erwartete Lebensdauer eines Geräts.

Martin Huegli

Martin Hügli, General Manager für Deutschland und Österreich beim Fairtech-Start-up Back Market

Back Market

Zwar existiert schon seit März 2021 eine EU-Richtlinie, die Hersteller von größeren Haushaltsgeräten wie Kühlschränken oder Waschmaschinen dazu verpflichtet, bis zu zehn Jahre Ersatzteile verfügbar zu haben. Es fehlt aber eine juristisch bindende Pflicht, die auch für kleine Elektronikgeräte wie Smartphones gilt. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist zwar von einem erleichterten Zugang zu Ersatzteilen die Rede, darüber hinaus ist es aber wichtig, sich auch für attraktive Preise für Reparaturen einzusetzen.

Refurbish

Angesichts der Zahlen wäre eine schnelle Durchsetzung aber dringend nötig, um das Bewusstsein und den Markt für wiederaufbereitete Elektronik zu stärken. "Wiederaufbereitet" meint in diesem Fall übrigens gebrauchte Geräte, die von Profis umfassend getestet, gereinigt, wenn nötig auch repariert wurden und schließlich mit einer neuen Garantie wieder verkauft werden.

Durch eine solche Wiederaufbereitung (Refurbish) können wir die Lebensdauer unserer Smartphones erheblich verlängern und pro zusätzlichem Jahr, in dem wir sie benutzen, durchschnittlich 92 Prozent CO₂ im Vergleich zu einem Neukauf einsparen. Fast genauso hoch (bis zu 90 Prozent) ist übrigens der Anteil der Produktion eines neuen Smartphones an dessen CO₂-Fußabdruck. Und auch losgelöst vom Umweltaspekt bringt diese nachhaltige Art des Konsums Vorteile mit sich, kostet ein wiederaufbereitetes Smartphone doch bis zu 70 Prozent weniger als ein fabrikneues Gerät.

Aber viel Potenzial bleibt ungenutzt, solange es keine Gesetze gibt, die den Nutzern und Nutzerinnen tatsächlich ein Recht auf Reparatur einräumen und die Hersteller in die Pflicht nehmen.

Um genau das zu ändern, gibt es auf der ganzen Welt Zusammenschlüsse von Organisationen und Unternehmen, die immer schneller immer größer werden, die sich für politische Reformen gegen Elektroschrott einsetzen. Dazu gehören etwa die europaweit agierende "Right to Repair"-Kampagne, bei der Back Market Teil des Steering Komitees ist oder auf Bundesebene der "Runde Tisch für Reparatur".

Sie machen sich unter anderem für einen Reparaturindex stark, ein Label, das den Konsumentinnen und Konsumenten anzeigt, wie gut sich Elektrogeräte reparieren lassen. Als Vorbild für diese Idee dient Frankreich, wo ein solcher Index bereits existiert, und in den beispielsweise die Einfachheit der Demontage sowie die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und deren Preis in die Bewertung mit einfließen.

Es mangelt nicht an Ideen

Es mangelt also wahrlich nicht an Ideen oder Innovationsgeist. Und auch die Bereitschaft der Menschen ist nicht das Problem. Wir brauchen möglichst schnell entsprechende Gesetze, die Hersteller in die Pflicht nehmen und den Konsumentinnen und Konsumenten tatsächlich schwarz auf weiß das Recht auf Reparierbarkeit ihrer Elektrogeräte geben. Dass eine solche Gesetzgebung angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage hinten ansteht, ist absolut verständlich. Aber der Klimawandel nimmt darauf letztendlich keine Rücksicht.

Daher der Appell an die Bundesregierung: Treiben Sie das Recht auf Reparatur für Smartphones und andere Geräte voran, um dem massiven Verschleiß ein Ende zu setzen. Und an die Hersteller: Macht es den Menschen da draußen schon vor einer entsprechenden Gesetzgebung möglichst leicht, ihre Geräte zu reparieren. So können wir alle gemeinsam die wachsende Menge an Elektroschrott bekämpfen, wertvolle Ressourcen schonen und klimaschädliche Gase wie CO₂ einsparen.

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