Baumärkte E-Commerce: Die Spätzünder vom Bau
Das Baumarkt-Segment war beim E-Commerce lange zögerlich. Das scheint sich jetzt zu ändern. Die Stationärketten setzen auf Multichannel, die Pure Player holen auf.
Von Nora Jakob
Der Konkurrenzkampf unter den Baumärkten wird härter: Vor knapp drei Jahren mussten Praktiker und Max Bahr Insolvenz anmelden. Die Umsätze stagnieren: 2014 sank der Gesamtumsatz laut Statista auf 17,63 Milliarden Euro (2013: 18,06 Milliarden Euro), nach der Konsolidierung lief es 2015 wieder besser: Die 2.134 Baumärkte mit mehr als 1.000 Quadratmeter Verkaufsfläche deutschlandweit erwirtschafteten einen Umsatz von 17,97 Milliarden Euro, ein leichtes Plus von 2,4 Prozent.
Eine Branche im Umbruch also - und damit wie geschaffen für eine digitale Revolution. Nach Angaben des Handelsverbands Heimwerken, Bauen und Garten ist der Umsatz im E-Commerce mit DIY-Sortimenten 2015 um 10,5 Prozent auf 2,24 Milliarden Euro gestiegen. Immerhin 12,5 Prozent des Gesamtumsatzes der Baumärkte wurden also 2015 online erwirtschaftet. Für 2016 geht der Verband von einem weiteren Online-Plus von rund acht Prozent aus.
"Unsere Kunden erwarten ein ganzheitliches Angebot, sie wollen ihre Informations- und Kaufprozesse zeitlich und räumlich flexibel gestalten können, das zeigen nicht zuletzt die aktuellen Entwicklungen im Bereich Mobile Commerce", so der stellvertretende BHB-Vorstandssprecher Kai Kächelein. "Die Zukunft wird dem integrierten Omnichannel-Retailer gehören, dies gilt auch für uns in der Baumarkt-Branche."
Nur Toom hat keinen Online-Shop
Auf diese veränderten Bedingungen haben sich die meisten großen Baumarkt-Ketten bereits eingestellt und bieten ihre Produkte in einem Online-Shop an, lediglich Toom verzichtet auf einen Online-Shop, in dem der Kunde direkt bestellen kann. Es ist lediglich möglich, die Produktpalette und Artikelbeschreibungen online einzusehen, um dann mit notierter Artikelnummer in den Baumarkt zu gehen und gezielt das jeweilige Produkt einzukaufen. Das überrascht, investiert der Mutterkonzern Rewe doch gerade Milliarden in seine Digitalisierung. Aber Rewe konzentriert seine Online-Bemühungen im Baumarkt-Segment lieber auf einen Pure Player: Gartenliebe.de, ein Online-Shop für Pflanzen, Kräuter, Carports und Gartengeräte, ging im November 2015 ans Netz.
Die anderen Ketten setzen dagegen auf Multichannel: Im Online-Shop von Bauhaus können die Kunden über 7.500 Produkte sowohl online bestellen als auch reservieren und in einem Bauhaus der Wahl abholen. Hornbach verfolgt mit seinem Online-Shop ein ähnliches Konzept: Die Artikel können online bestellt, und bereits zwei Stunden später in einem ausgewählten Markt abgeholt werden. Sperrige Gegenstände, wie etwa auch Weihnachtsbäume, können aber auch direkt nach Hause geliefert werden. Und noch einen Vorteil hat die zunehmende Digitalisierung der Baumärkte: Während der Kunde früher viel mehr und vor allem länger suchen musste, kann er sich heute vorher oder im Laden online über den Artikelstandort informieren und bekommt ihn auf den Gang genau angezeigt.
Kunden werden durch WLAN zu Preisvergleichen ermuntert
Zudem setzt Hornbach konsequent auf Preistransparenz, auch über das mobile Internet: Der Baumarkt bietet in fast allen seiner knapp 100 Märkte in Deutschland, kostenloses WLAN. Das werde gut angenommen und die Kunden so zu Preisvergleichen ermuntert, so ein Sprecher. Deshalb gibt es deutschlandweit einheitliche Preise - und das sowohl stationär als auch online. Ist ein Produkt in der Filiale nicht vorrätig, kann es im Netz bestellt werden. Die Besonderheit: Die Bestellung kann direkt in der Filiale bezahlt werden.
Es ist nicht das erste Mal, dass Hornbach in Sachen E-Commerce Vorreiter ist: Die Baumarkt-Kette war bereits Pilotpartner für "Google Commerce". Damit können sich Online-Kunden anzeigen lassen, in welchem Markt in der Nähe das Produkt verfügbar ist, sollte es im Internet nicht mehr zu kaufen sein. Vom IFH in Köln wurde Hornbach dafür 2016 mit dem Online-Handels-Award ausgezeichnet. Vorjahressieger Garten XXL landete auf dem zweiten Platz, Hellweg auf dem dritten.
Cross-Channel-Services werden immer mehr angeboten
Die perfekte Verknüpfung des Online - und Offline-Einkaufs ist auch das hehre Ziel anderer Baumärkte. Bei Hagebau etwa stehen in vielen Filialen iPads zur Verfügung, auf denen die Kunden auf das gesamte Sortiment im Online-Shop zugreifen können. Wird im Geschäft über einen der Kundenberater bestellt, wird die Ware versandkostenfrei geliefert.
Auch Click & Collect gehört mittlerweile mehr und mehr zum Standard für Baumärkte. Genaue Zahlen über die Nutzung des Services gibt es allerdings nicht. Insgesamt halten sich die großen Ketten mit Zahlen und künftigen Strategien bedeckt. Lieber spricht man über neue Services, wie im Fall von Obi: Der Baumarkt testet in München Same Day Delivery. Bis 12 Uhr bestellt und ab einem Einkaufswert von 100 Euro sollen die Waren im Großraum München von Montag bis Samstag noch am gleichen Tag zugestellt werden - für die ganz eiligen DIY-Projekte.
Logistik ist die große Herausforderung
Insgesamt befindet sich die Baumarkt-Branche mit ihren Multichannel-Konzepten auf einem guten Weg, befindet das IFH Köln. "Auch die Baumärkte entdecken den Online-Handel für sich und platzieren sich mit einem immer größer werdenden Produktsortiment und vor allem mit Cross-Channel-Services, denn die Logistik ist neben der Darstellung der Produkte und den Produktinformationen die große Herausforderung", sagt Eva Stüber, Leiterin Research & Consulting am Institut für Handelsforschung Köln. Lange war genau diese Herausforderung - die Logistik - der Hemmschuh der Branche auf dem Weg ins Netz.
Der Versand von sperrigen Einzelteilen wie Sichtschutzwänden, Rankgittern oder großen, unhandlichen Gartengeräten wie Schubkarren ist kompliziert und oft nur durch eine Spedition zu bewältigen - was hohe Versandkosten nach sich zieht und die Kunden abschreckt. Bei Hornbach können beispielsweise für einen Speditionsversand bis zu 129 Euro an Gebühren anfallen.
Mittlerweile begreifen die Ketten das ehemalige Problem aber vor allem auch als Vorteil: Denn die sperrigen Einzelteile sind häufig auch teuer, hohe Warenkorbwerte die Folge; außerdem bindet man die Kunden an sich, wenn man Artikel liefert, die sonst nur schwer zu transportieren sind.
Abgesehen von der Lieferung hat die Beratung in der Baumarkt-Branche einen hohen Stellenwert. Das versuchen viele Anbieter auch online abzufangen - mit aufwendigem Content-Marketing in Form von Beet-Planern oder Werkzeug-Beratern - aber Detailfragen klären viele Kunden weiterhin am liebsten von Angesicht zu Angesicht. Das erschwert die Situation der Online-Pure-Player. Die sind in diesem Bereich noch rar; doch die großen Umsätze, die im DIY-begeisterten Deutschland mit Schrauben, Farben und Gartenausrüstung zu machen sind, locken.
Amazon wird mehr und mehr zur Konkurrenz
Vor allem Amazon sitzt den Mutlichannel-Händlern im Nacken. Der Online-Riese hat im letzten Jahr stark in das Segment Baumarkt investiert. Die entsprechende Sub-Seite auf Amazon ist zwar wie gewohnt hässlich, punktet aber mit vielen Produktberatern und dem größten Online-Sortiment im DIY-Bereich - auch, weil bisher kaum eine Baumarkt-Kette ihr gesamtes Sortiment online verfügbar macht. Über das große Sortiment versucht auch GartenXXL zu punkten: Die Tengelmann-Tochter, die 2015 ihren Umsatz nach eigenen Angaben um 100 Prozent steigern konnte, hat Anfang des Jahres ihr Angebot auf 40.000 Produkte ausgeweitet. Größter DIY-Pure-Player aber ist ein On-/Offline-Joint-Venture: Baumarkt-direkt, eine Tochter von Otto.de und Hagebau, ist seit 2007 als Online-Pure-Player aktiv. Im Geschäftsjahr 2013/2014 erzielte der Shop einen Umsatz von 225,7 Millionen Euro.
Noch sind die klassischen Baumarkt-Ketten durch Beratung vor Ort und günstige Click & Collect-Angebote also im Vorteil gegenüber den Pure Playern, doch die holen auf. Wer am Ende das Rennen machen wird, ist noch nicht entschieden.