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Online-Möbelhandel Der Kampf um die Couch

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Nach dem Börsengang von Home24 bringt sich der Online-Möbelhandel in Stellung: Während Otto und Ikea zulegen, haben die Pure Player noch Herausforderungen zu meistern.

Als sich im Frühjahr 2018 ein möglicher Börsengang von Home24 abzeichnete, schien das Unterfangen durchaus risikoreich: Das Umsatzwachstum des Online-Möbelhändlers hatte sich 2017 auf 13 Prozent abgeschwächt, während sich das Geschäftsergebnis weiterhin in den roten Zahlen bewegte. Als Home24 dann am 15. Juni erstmals an der Börse gelistet wurde, konnte die Unternehmensführung durchatmen. Die Marktkapitalisierung des Online-Händlers lag bei über 700 Millionen Euro. Und auch seitdem zeigte sich die Home24-Aktie weitgehend stabil. Dabei ist der Börsenerfolg des Unternehmens kein Einzelfall: Der weltweit aktive, in den USA beheimatete Möbelversender Wayfair freut sich regelmäßig über neue Höchstbewertungen. Und im April 2018 ging die schwedische ­Bygghemma-Gruppe (Furniturebox.se, Myhomemøbler.dk) erfolgreich an die Börse. Steht die lange Zeit als E-Commerce-Nachzügler betrachtete Online-Möbelbranche damit vor dem Durchbruch?

Marc Appelhoff, Co-CEO von Home24, sieht sich in dieser Ansicht bestätigt: "Das große Interesse von Investoren an Home24 und diesem Börsengang war überwältigend. Wir freuen uns, unsere Wachstumsgeschichte als börsennotiertes Unternehmen mit dem nötigen Kapital fortzusetzen, um von den großen, noch ungenutzten Marktchancen in der Online-Home & Living-Branche zu profitieren." Das Unternehmen setzt inzwischen verstärkt auf ein Plattformmodell und kombiniert ein breites Produktsortiment von Drittanbietern mit einem margenstarken Eigenmarken-Geschäft, das inzwischen für 56 Prozent des Umsatzes verantwortlich ist. Neben wettbewerbsfähigen Preisen will Home24 bei den Kunden vor allem mit schnellen Lieferzeiten punkten. Dafür hat das Online-Unternehmen seine Logistik optimiert und betreibt seine zwei Versandzentren inzwischen in Eigenregie.

Die Konsumenten sind noch skeptisch

Björn Seynsche ist Director EU Merchandising Catalog Operations bei Wayfair

Wayfair

Nimmt man die Umsätze der stationären Marktführer als Maßstab - Ikea kam 2017 in Deutschland auf 4,8 Milliarden Euro, XXXLutz auf 4,2 Milliarden Euro -, ist der Erfolg der Online-Möbelhändler allerdings nach wie vor recht bescheiden: Home24 liegt mit 276 Millionen Euro knapp vor Westwing mit 266 Millionen Euro. Wayfair wuchs 2017 zwar um ganze 40 Prozent auf 4,7 Milliarden US-Dollar, erzielte davon aber nur 568 Millionen US-Dollar außerhalb der USA. Nischenanbieter wie Connox.de, Massivum oder Lampenwelt.de bewegen sich zudem in Umsatzregionen zwischen 20 und 80 Millionen Euro. Das ist nicht schlecht, aber eben auch nicht viel in einem Markt, dessen Gesamtvolumen in Deutschland bei 27,5 Milliarden Euro liegt. Zu einem großen Teil liegt das daran, dass die Online-Möbelbranche noch immer stark mit dem Kampf um Akzeptanz bei den Kunden beschäftigt ist. Während Fashion- oder Elektronikversender munter ihr Geschäft skalieren, suchen Einrichtungs-Shops noch immer nach Lösungen für die aufwendige Logistik oder das fehlende haptische Erlebnis.

Einsatz von Augmented-Reality-App

Die letzte große Produktankündigung bei Westwing betraf daher eine Augmented-Reality-App, mit welcher die Kunden  gewünschte Möbel und Accessoires nach Belieben virtuell in den eigenen vier Wänden platzieren können. "Diese visionäre Art von Shopping nimmt Bedenken und Unsicherheiten beim Online-Kauf", erklärt dazu eine Unternehmenssprecherin. "So vermeiden wir unnötige Retouren, enttäuschte Kunden und Shoppen und Einrichten machen noch mehr Spaß." Ein Alleinstellungsmerkmal ist die App aber schon lange nicht mehr. Der US-Wettbewerber Wayfair startete unlängst eine "3D University", mit welcher das Unternehmen Hersteller und Designer in die Lage versetzen will, den Kunden noch bessere virtuelle Planungsmöglichkeiten zu bieten. "Wir wollen eine Triebfeder für die technologische Entwicklung der Branche sein", erklärt Wayfair-Geschäftsführer Steve Conine. Neben Augmented-Reality- würden Virtual-Reality-Anwendungen dem Online-Möbelhandel künftig neue Möglichkeiten eröffnen. Abgesehen von der Technologie entwickelt Wayfair aber auch die Verkaufsstrategien weiter. So hat das Unternehmen im Frühjahr mit dem Way Day erstmals ein eigenes Shopping-Event auf die Beine gestellt und damit bewiesen, dass sich Verkaufsaktionen wie der Black Friday oder Amazons Prime Day auch erfolgreich auf die Möbelbranche übertragen lassen.

Etablierten Anbieter haben die Nase vorn

Bei allem Trubel um die E-Commerce-Start-ups wird aber oft übersehen, dass in Deutschland der Versandhandelsveteran Otto die größten Online-Umsätze im Möbelbereich einfährt. Auf über 950 Millionen Euro kam das Unternehmen in dem Bereich im letzten Jahr. Neben einer AR-App bietet Otto seinen Kunden Services wie kostenlose Material- und Stoffproben und telefonische Produktberatung an. "Im Kern geht es darum, Probleme zu lösen", erklärt dazu André Müller, Direktor Home & Living bei Otto. "Wenn unsere Kunden denken, 'Ich weiß nicht, wie das Sofa in meinem Raum aussieht', bieten wir die Tools und die Technologie, um diese Probleme zu lösen und Shopping damit noch bequemer zu machen." Durch die Öffnung von Otto zur E-Commerce-Plattform soll gerade das Einrichtungssortiment noch attraktiver werden: "Das Interesse von Marken und Herstellern, ihre ­Artikel als Marktplatzpartner auf Otto.de anzubieten, ist sogar noch größer als gedacht." Mit Spezial-Shops wie Schlafwelt.de oder Yourhome.de will der Versandhändler E-Commerce-Kunden zudem noch zielgruppenorientierter ansprechen. Um die Marktführerschaft weiter auszubauen, plane Otto gegenwärtig ein weiteres Online-Angebot beim Thema Küchen, verrät Müller.

"Wir müssen mit den sich wandelnden Bedürfnissen der jungen Generationen gehen“: Michael Mette, Deputy Retail Manager Ikea Deutschland

Ikea

Ebenfalls eine ernst zu nehmende Größe im Online-Möbelhandel ist inzwischen Ikea. Lange wurde der Einrichtungsriese dafür belächelt, dass er mit seinen Schwedenrestaurants mehr Umsatz einfuhr als im E-Commerce. 2017 steigerte Ikea seinen Online-Umsatz in Deutschland um 30,7 Prozent auf 304 Millionen Euro - und demonstriert damit endlich seine Ambitionen. "Wie könnte ein Segment für uns unattraktiv sein, welches das Wachstumssegment schlechthin ist?", erklärt dazu Michael Mette, Deputy Retail Manager bei Ikea Deutschland. Mittelfristig strebe das Unternehmen hierzulande einen Online-Anteil von mindestens 20 Prozent an. Trotz des Größenunterschieds verfolge der Möbel-Gigant die Entwicklung der Online-Wettbewerber aufmerksam: "Im Online-Bereich gibt es für uns noch ­einige Sachen, die wir lernen müssen. Und deshalb schauen wir uns intensiv an, was die Pure Player hier gut machen." Kein Unternehmen könne sicher vor der disruptiven Kraft der Online-Entwicklung sein, so Mette: "Wir müssen mit den sich wandelnden Bedürfnissen der jungen Generationen gehen. Nur dann können wir die Nase weiter vorne halten."

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