
Ikea-Manager Mette "Wir müssen mit den Bedürfnissen der jungen Generation gehen"
Michael Mette, Deputy Retail Manager bei Ikea Deutschland
Michael Mette, Deputy Retail Manager bei Ikea Deutschland
Spät gestartet, legt Ikea im Online-Handel inzwischen kräftig zu. Ikea-Manager Michael Mette erklärt im Interview, wie das Unternehmen im Internet ein unverwechselbares Einkaufserlebnis schaffen will und was Ikea von den Pure Playern lernen kann.
Michael Mette ist Deputy Retail Manager bei Ikea Deutschland. Im Interview nimmt er Stellung zur Online-Strategie des schwedischen Möbelriesen und geht auch auf die Entwicklung bei den Pure Playern im Möbelsegment ein.
Man kennt den typischen Ikea-Effekt: Man kommt zu Ikea und kauft neben dem gewünschten Regal auch noch Teelichter, Topfpflanzen und Knäckebrot aus dem Schwedenshop. Online ist das Kaufverhalten dagegen deutlich geradliniger. Ist der E-Commerce für Ikea überhaupt attraktiv?
Michael Mette: Wie könnte ein Segment für uns unattraktiv sein, welches das Wachstumssegment schlechthin ist? Natürlich wollen wir, dass die Kunden online bei uns kaufen - auch wenn sie dann vielleicht keine Teelichter mitbestellen. Wir müssen den Kunden die Möglichkeiten bieten, die sie heute erwarten. Und dazu gehört Online klar dazu, bei der jüngeren Generation sogar noch viel stärker. Gleichzeitig ist es unser Ziel, dass wir mit unseren Einrichtungshäusern so attraktiv bleiben, dass auch weiterhin zumindest jeder zweite Besuch bei Ikea stationär stattfindet.
Der Besuch bei Ikea ist für viele Kunden mehr als nur ein Einkauf und besitzt Erlebnischarakter. Wie versuchen Sie das stationäre Erlebnis in den Online-Kontext zu übertragen?
Michael Mette: Wir achten darauf, dass sich die Einkaufskanäle gegenseitig ergänzen. Wir haben seit einem Jahr unser gesamtes Produktsortiment online und zeigen den Kunden dazu auch die Warenverfügbarkeiten in den Häusern an. Und wir bieten inzwischen in allen Einrichtungshäusern Click & Collect an. Das hat für den Kunden den Vorteil, dass er die Ware fertig kommissioniert abholen kann und damit viel Zeit spart. Außerdem haben wir Planungs-Tools zum Beispiel für Küchen uns Sofas, die der Kunde kanalübergreifend nutzen kann. All das führt dazu, dass sich die Einkaufskanäle ideal ergänzen und unsere Kunden immer häufiger Online- und Offline-Einkaufsmöglichkeiten kombinieren. Es ist spannend zu sehen, dass die Bereiche inzwischen so stark ineinandergreifen.
Aber lässt sich der Einkaufsbummel in einem Ikea-Geschäft wirklich mit dem Online-Kauf vergleichen?
Michael Mette: Das Stöbern ist sicherlich auch online möglich. Wir versuchen dem entgegenzukommen, indem wir jedes Produkt anders fotografieren und so den Kunden möglichst viel Anregungen geben. Mit der neuen Version unseres Onlineshops, die wir Anfang 2019 einführen, wollen wir das Einkaufserlebnis Online und Offline noch mehr aneinander angleichen. Kunden werden dann beispielsweise Planungstermine online buchen können und wir werden in beiden Kanälen die gleichen Zahlungsfunktionen bieten. Außerdem vernetzen wir unseren Verkauf und unsere Logistik, so dass die Kunden die gesamte Kette vom Kauf bis zur Lieferung online planen können.
Die Möbelbranche liegt im Online-Anteil noch weit hinter anderen Handelssegmenten. Liegt das an der fehlenden Haptik und der Sperrigkeit der Waren?
Michael Mette: Die Größe der Produkte hat darauf keinen Einfluss. Wir stellen fest, dass bei uns gerade große Möbel wie Küchen und Sofas für die Online-Bestellung prädestiniert sind. Um der fehlenden Haptik entgegenzuwirken, bieten wir in unserer App für viele Produkte die Möglichkeit, diese per Augmented Reality in der jeweiligen Umgebung zu betrachten. Und in unserem Store in Berlin Lichtenberg haben wir ein Pilotprojekt für die Planung mit Hilfe von Virtual Reality laufen. Das wäre dann der nächste Schritt: Das die Menschen mit VR-Technik eine Küche dreidimensional sehen können und sich auf Knopfdruck vorstellen können, wie das in echt aussieht.
Sind das beim jetzigen Stand der Technik nicht noch eher nur Gimmicks?
Michael Mette: Ob das heute schon die finale Kaufentscheidung beeinflusst, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass solche Technologien für die nächste Generation immer wichtiger werden. Und es ist unsere Aufgabe, die künftigen Kunden auch technologisch an uns zu binden.
Was denken Sie, wie groß die Rolle ist, die der E-Commerce für Ihr Unternehmen künftig spielen wird?
Michael Mette: Ich glaube, dass sich der E-Commerce-Anteil in der Möbelbranche deutlich erhöhen wird. Ob er letztlich bei 20 Prozent oder bei 40 Prozent liegen wird - das kann ich nicht sagen, das wäre anmaßend. Wir sehen für Ikea aber mittelfristig einen Online-Anteil von mindestens 20 Prozent. Das unterscheidet sich allerdings auch von Land zu Land. Es gibt Länder, die deutlich online-affiner sind. Beispielsweise liegt der Online-Anteil bei Ikea in Großbritannien heute schon bei 15 Prozent. In Deutschland liegt er dagegen erst bei sechs Prozent. Wir planen unsere Online-Strategie deshalb in jedem Land anders, ganz nach den Bedürfnissen der Kunden dort.
Online Pure Player im Möbelsegment
Mit Home24 ist dem größten deutschen Online Pure Player im Möbelsegment gerade ein erfolgreicher Start an der Börse gelungen. Wie aufmerksam haben Sie das beobachtet?
Michael Mette: Ob Home24 zu Rocket Internet gehört oder an die Börse geht, ist für uns nicht wichtig. Aber wir kucken uns so ein Unternehmen schon an - schließlich macht Home24 viele Dinge sehr gut. Im Online-Bereich gibt es für uns noch einige Sachen, die wir lernen müssen. Und deshalb schauen wir uns intensiv an, was die Pure Player hier gut machen.
Mit einem weltweiten Umsatz von 34 Milliarden Euro bewegt sich Ikea in ganz anderen Bahnen als ein Home24 mit 276 Millionen Euro. Eine reelle Gefahr stellen die Online-Startups in der Branche für Ikea damit nicht dar...
Michael Mette: Dennoch gibt es immer die Gefahr, dass man von einem Newcomer disrupiert wird. Der Fall Kodak ist hier ja das meistzitierte Beispiel der Welt. Ich denke, es liegt an uns, dass wir unseren Kunden weiterhin den Service bieten, den diese wünschen. Und dazu müssen wir mit den wandelnden Bedürfnissen der jungen Generationen gehen. Nur dann können wir die Nase weiter vorne halten.
Home24 hat sich vor einigen Jahren mit dem Werbespot über Einrichtungshäuser am "Arsch der Welt" auch gegen Ikea aufmerksamkeitsstark in Szene gesetzt. Wie viel ist dran an der Kritik an den Möbelgeschäften auf der grünen Wiese?
Michael Mette: Ich möchte nicht über die Marketingkampagnen einzelner Wettbewerber urteilen. Aber auch für uns ist die Standortfrage ein Thema und wir haben in Deutschland mit dem Haus in Hamburg-Altona gezeigt, dass Ikea sich auch in den Innenstädten seinen Platz sucht. Wir haben vor kurzem bekanntgegeben, dass wir unsere Expansionsstrategie überdenken. Wir wollen uns klar werden, in welcher Form und in welchem Format wir in Zukunft auftreten wollen. Es wird sicher mehr individuellere Store-Formate geben, darunter auch kleinere Häuser in Innenstädten.
Wird bei diesen Stores die Multichannel-Thematik eine besondere Rolle spielen?
Michael Mette: Man kann es so betrachten, wie in unserem Geschäft in Bremerhaven, unserem kleinsten Store in Deutschland: Dort bestellen Mitarbeiter Waren, die nicht vor Ort verfügbar sind, gemeinsam mit den Kunden im Ikea Onlineshop und liefern diese nach Hause. Dabei nutzen die Mitarbeiter die gleichen Systeme wie die Endkunden. Die Verknüpfung der Kanäle macht sich also hier bezahlt.
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