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Samuel Koch

New Work Samuel Koch: "Gebt der jungen Generation mehr Verantwortung"

Samuel Koch ist Co-Founder eines Software-Start-ups, das digitale Kompetenzen vermittelt.

Lukas Beck

Samuel Koch ist Co-Founder eines Software-Start-ups, das digitale Kompetenzen vermittelt.

Lukas Beck

Samuel Koch hat für heutige Unternehmens-Chefs ein Buch geschrieben. "Die Welt, die ihr nicht mehr versteht", lautet der Titel. Und nicht nur der Titel provoziert, sondern auch der Inhalt: "Ich fordere euch auf, euch zurückzuziehen", knallt Koch den Lesern vor den Latz.

"Überlasst eure Positionen, welche auch immer das sind, jemandem von uns. Ihr versteht die Welt, in der wir leben und in der die Entscheidungen über die Zukunft fallen, nicht mehr." Mit dieser Forderung startet Samuel Koch, selbst Unternehmer in Österreich und jetzt auch Buchautor, einen Großangriff auf die Führungsetagen traditioneller Unternehmer.

Schon zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn stellte Koch fest, dass seine ­Generation und die Generation davor in einigen wesentlichen Punkten der heutigen Arbeitswelt unterschiedliche Auffassungen haben: Die "Wir"-Generation hält Geschwindigkeit für das Geschäftsleben für essenziell, Stabilität opfert sie für Flexibilität und Dynamik, Bindung verliert an ­Bedeutung, alle Lebensbereich werden so organisiert, dass sie schnell wieder verändert werden können.

In der Arbeit stellt die Generation "Wir" Freude über den Profit. Und eine gute Führungskraft ist für junge Talente jemand, der es als Dienstleister allen anderen ermöglicht, ihre Krea­tivität auszuleben. Schlussendlich geht die "Wir"-Generation laut Koch auch anders mit dem Thema Daten und Digitalisierung um als die "Ihrs" in den heutigen Chefetagen. Sie habe kein Problem damit, Daten zu teilen und die Welt zu digitalisieren. Und sie habe verstanden, dass in einer digitalen Welt der Kunde nicht mehr nur König ist, sondern Gott. 

Einblicke in die Gedankenwelt der jungen Generation gibt Koch auf der TrendArena der INTERNET WORLD EXPO am 10. und 11. März in München. Wir fragten vorher schon einmal nach.

Herr Koch, Sie haben ein Buch mit dem provozierenden Titel geschrieben "Die Welt, die ihr nicht mehr versteht." Ab wann zählt man für Sie denn zur Generation "Ihr"?
Samuel Koch:
Bislang habe ich auf die Frage immer die Ü40-Generation genannt. Aber das braucht ein bisschen Erklärung. Ich bin Start-up-Unternehmer im Bildungsbereich und habe da viel mit jungen Leuten zu tun. Gleichzeitig habe ich ein Software-Unternehmen mitgegründet und bin darüber mit großen Corporates in Kontakt. So wuchs ich in den vergangenen Jahren in diese Vermittlerrolle hinein und habe dabei immer mehr erkannt, wie groß die Konflikte und Verständnisprobleme zwischen der älteren und jüngeren Generation sind. Das ist aus meiner Sicht schade, denn wir ­leben in einer Zeit, die unglaubliche ­Gelegenheiten bietet, um Zukunft zu ­gestalten. Aber dafür brauchen wir eine Kultur des positiven Streitens, die ich mit meinem Buch ein Stück weit entfachen wollte. Darin habe ich unter anderem versucht, Beispiele und Bereiche aufzuzeigen, wo die junge Generation anders denkt und wo wir lernen müssen hinzuschauen und darüber zu sprechen.

Dann nennen Sie doch bitte gleich mal ein paar konkrete Beispiele.
Koch:
Beginnen wir mit dem Thema ­"Arbeit". Der jungen Generation wird gerne mangelnde Leistungsbereitschaft vorgeworfen. Angeblich lassen wir uns für Projekte und Ideen nicht mehr ­gewinnen. Aus meiner Sicht müssen wir den Arbeitsbegriff und die Leistungsbereitschaft aber neu definieren. Seit jeher suchen Menschen Erfüllung in ihrer ­Arbeit. Aber Technologie und Digitalisierung ermöglicht es uns erst jetzt, wirklich das zu machen, was uns Freude ­bereitet. HR-Abteilungen sollten nicht darüber jammern, dass sie junge Menschen nicht mehr gewinnen können, sondern sich fragen, warum sie für die Generation nicht mehr attraktiv sind. Wir brauchen einfach neue Mindsets und Incentives bei der Arbeit.

Eine Branche, die über einen Mangel an Nachwuchskräften jammert, ist der Handel. Wie würden Sie jungen Menschen niedrige Löhne, lange Arbeitszeiten am ­Wochenende und Jobs wie Regale auffüllen schmackhaft machen?
Koch:
Was das Regaleauffüllen angeht: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das, was ­automatisiert werden kann, auch automatisiert wird. Das muss der Handel in seine Strategie aufnehmen. Und natürlich gibt es in jedem Job Aufgaben, die nicht attraktiv sind. Aber Sie als Unternehmen müssen attraktiv sein. Sie müssen sich für ­Dinge engagieren, die junge Menschen ­ansprechen, und Themen aufgreifen, die die Jugend bewegen. Das ist für mich die einzige Möglichkeit, um die jungen Menschen emotional und kreativ abzuholen und ihnen Missionen zu geben. Das muss auch gar nicht unbedingt die Kerntätigkeit betreffen. Es geht auch im Rahmen von ­Satellitentätigkeiten. Denken Sie in der Textilindustrie an das Thema Nachhaltigkeit. Was könnte man da an Seitenprojekten machen? Ich bin absolut davon überzeugt, dass Menschen das größte Asset sind, das wir in Zukunft haben. Dazu müssen wir verstehen, was sie bewegt - und ­ihnen entgegenkommen. Manuelle Arbeit ist da für mich nur ein Aspekt von vielen.

Alte Unternehmens-Chefs müssen ihren Platz räumen

In Ihrem Buch fordern Sie außerdem, dass alte Unternehmens-Chefs ihren Platz für Jüngere räumen. Sollen Siemens, BMW und die Deutsche Bank künftig lieber von 23-jährigen Hochschulabsolventen geführt werden?
Koch:
Natürlich nicht. Was ich fordere, ist eine Zusammenarbeit zwischen Jung und Alt auf Augenhöhe und mit gegenseitiger Wertschätzung, Würde und Respekt. Doch die Begegnung auf Augenhöhe müssen wir - und vor allem die ältere Generation - noch lernen. Unser bisheriges System basiert ja eher darauf, dass jeder Einzelne versuchte, sein eigenes Reich zu schützen, sodass einem niemand etwas wegnehmen kann. Aber die Arbeitswelt der Zukunft wird uns nicht erlauben, mit diesen Strukturen weiterzumachen. Ganz praktisch wäre mein Wunsch, dass auch in großen Corporates früh damit begonnen wird, junge Leute in Entscheidungspositionen zu bringen. Denn die verstehen den digitalen Kunden der Zukunft einfach ­besser als die ältere Generation. Dafür können die Älteren einen wertvollen ­Erfahrungsschatz beisteuern. Wer hier Netzwerke aufbaut, sichert das Überleben des Unternehmens. Ich sehe es aber ganz oft, dass der eigene Sessel und das eigene Wohlbefinden über dem Nordstern des Unternehmens stehen.

Über dem Nordstern des Unternehmens?
Koch: Ich meine damit das übergeordnete große Ziel jedes Unternehmens. Das muss man durchziehen - von der ­Start-up-Phase bis zum Corporate. Doch wenn ich mit Führungskräften spreche, stellen wir oft fest, dass in vielen Unternehmen nicht ­jeder Mitarbeiter weiß, was der Nordstern eigentlich ist. Dabei sollte das jeder Angestellte in Fleisch und Blut haben. Denn dann richten sich die Leute danach aus - und die Chefetage kann damit beginnen, Kontrollstrukturen abzubauen.

Kontrolle ist ein guter Punkt. Lässt man die jungen Leute mit ihren Ideen einfach laufen? Und: Wo zieht man die Reißleine, wenn es doch nicht funktioniert? Oder brauchen wir einfach einen Topf voll Spielgeld für neue Projekte?
Koch:
Kontrolle basiert für mich immer auf Misstrauen - und das hat noch nie gut gerochen. Aber diese Moonshots, die Sie ansprechen, sind absolut notwendig. Mein erster Rat an Corporates wäre, eine Divi­sion zu gründen, die nur das Ziel hat, das eigene Unternehmen zu zerstören, bevor es jemand anderes macht. Schauen Sie sich die großen Namen wie Google, Facebook oder Amazon an: Deren Philosophie ist es, dass die neuesten Geschäftsideen in genau diesen Nebendivisionen entstehen, die ­darauf abzielen, außerhalb des Geschäftsalltags querzudenken. Generell würde ich wie in einer Start-up-Kultur zu flachen ­Hierarchien raten. Denn ein großer Teil des Unternehmenserfolgs hängt davon ab, wie geführt wird und ob sich die Mitarbeiter mit den Personen identifizieren können, die hier den Ton angeben.

Taugt die Führungskultur in Start-ups tatsächlich als Vorbild? Gerade in erfolgreichen Firmen werden die Mitarbeiter häufig größtenteils anhand von Kennzahlen und Leistungszielen bewertet?
Koch:
Sie meinen, die Unmenschlichkeit steigt mit der Skalierung? Ja, leider ist das oft zu beobachten. Ein Grund dafür ist, dass in der Führungsebene der Mensch oft nicht an erster Stelle steht. Es gibt in Start-ups zwei Themen, die Corporates adaptieren können. Das eine ist die Orientierung am Nordstern. Und das andere sind Führungspersönlichkeiten, die wirtschaftliche Interessen und Menschlichkeit intrinsisch in sich tragen. Die Nachfrage nach guten Führungspersönlichkeiten ist riesig.

Viele Corporates sollten sich nicht an Start-ups beteiligen

Viele Unternehmen versuchen, diese Start-up-Kultur durch Beteiligungen oder Übernahmen aufzubauen. Das geht nicht selten schief, weil verschiedene Welten aufeinanderprallen. Wie bringt man so ein Projekt zu einem guten Ende?
Koch:
Aus Corporate-Sicht halte ich es für den besseren Ansatz, das Thema Start-ups und Innovation in eine Seitendivision zu geben. Denn wenn sie - bildlich gesprochen - einen Hund und eine Katze zusammen in einen Käfig stecken, gibt es vermutlich ein riesiges Chaos. Aber wenn sie Zeit haben, sich gegenseitig zu beschnuppern und kennenzulernen, können sie sich nach einer gewissen Zeit vertragen. Ich werde aber sowieso misstrauisch, wenn ein Corporate aus Verzweiflung Start-ups kauft. Dadurch werden fremde Nord­sterne quasi "eingekauft". Das bringt aber wiederum die eigene Mission nicht voran. Ich würde Corporates eher empfehlen, nach Expertise und Leuten im eigenen Unternehmen zu suchen, um vielleicht ein Spin-out zu machen.

Ihnen ist auch die Politik ein großes Anliegen. Nun ist bei Ihnen in Österreich jemand wie Sebastian Kurz ja noch verhältnismäßig jung. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen sprach noch vor nicht allzu langer Zeit von "digitalem Neuland". Wie muss Politik ­organisiert sein, um für die Zukunft die richtigen Weichen zu stellen?
Koch:
Das Erste, was mir einfällt, ist, dass die Politik die Träume und Utopien der jungen Generation nicht belächeln darf, sondern ernst nehmen und sich damit auseinandersetzen muss. Wir sind leider in einer Gesellschaft aufgewachsen, wo professionelles Träumen grundsätzlich skeptisch angesehen wird. Aber ich verfolge die deutsche Politik stark und erkenne Bewegung. Konkret sollte sich Frau Merkel einen Thinktank von jungen Leuten zwischen 20 und 30 Jahren aufbauen und sich mit ihnen einmal im Quartal zusammensetzen und ohne parteipolitisches Buch über unsere Zukunft nachdenken und ­unsere Utopien verstehen lernen. Was ­bedeutet es zum Beispiel, wenn in den kommenden 20 Jahren 20 Prozent der Arbeitsplätze wegfallen? Und wie können wir aus Deutschland heraus Europas Anschluss an die USA und Asien sichern - und zwar auf Basis der Werte, die wir in Europa haben.

Sie bauen in Wien derzeit einen neuen Bildungscampus auf, weil Sie am vorhandenen Bildungssystem verzweifeln. Was ist Ihr größter Kritikpunkt?
Koch:
Ich denke, unser Benchmark für Leistung ist extrem tief. Hart formuliert ist unser Bildungssystem so ausgerichtet, dass maximal jeder durchkommt, keiner aus der Reihe tanzt und dann einfach das Hamsterrad bedient. Was nicht gefördert wird, ist unternehmerisches Denken. Das aber wird eine der größten Skills sein, die wir in Zukunft brauchen. Unternehmerisches Denken heißt übrigens nicht, dass jeder gründen muss. Bitte nicht! Aber ­unternehmerisch zu denken, heißt, lernen Fragen zu stellen, das System infrage zu stellen, in Teams zu arbeiten und unternehmerisch in der eigenen Abteilung zu agieren. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass ich unser Bildungssystem zu akademisch finde. In 20 Jahren wird das digitale Unternehmen der Zukunft nicht daran interessiert sein, welcher Titel auf dem Zeugnis steht, sondern ob man eine Führungspersönlichkeit ist und was man kann. Ich baue daher einen Bildungscampus für die nächsten Jahrhunderte, der das Ziel hat, 360 Grad gebildete Persönlichkeiten und die größten Talente an den Ausbildungsmarkt zu liefern.

Was wäre abschließend Ihr wichtigster ­Appell an die Unternehmen?
Koch:
Auf Englisch wäre das: "Happiness over Money". Wenn Freude im Unternehmen ist - vom Chef bis zum letzten Mit­arbeiter -, wird das die Performance zum Positiven verändern. Und darüber müssen wir einen Diskurs führen.

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