Der geringe Online-Anteil im Baumarktsegment liegt nicht nur an den Versäumnissen der stationären Anbieter, sondern auch an den Herausforderungen für Pure Player.
Geht es um den Kauf von Do-it-yourself (DIY)-Produkten, sind etablierte Baumärkte für Kunden immer seltener die erste Anlaufstelle. Das ist der für die Branche alarmierende Befund des aktuellen "Customer-Journey-Benchmarking DIY", für welches das IFH Köln rund 4.000 Konsumenten befragt hat.
Der Online-Anteil im Baumarktsegment liegt zwar erst bei 5,7 Prozent, doch den etablierten Anbietern droht gleich von mehreren Seiten Konkurrenz: Online-Käufer bevorzugen inzwischen Amazon und Google. Gleichzeitig stoßen Lebensmittelhändler, Möbelhäuser und Gartencenter in das DIY-Segment vor - häufig in Form von Online-Aktionsangeboten. Die Multichannel-Konzepte von Obi, Hornbach und Co wirken demgegenüber wie Abwehrgefechte.
Stationäre Anbieter mit wenig Online-Ambitionen
Immerhin: "In der DIY-Branche gab es bisher keinen 'Zalando-Effekt'", erklärt Eva Stüber vom IFH Köln zu den Hintergründen der Studie. In dem Segment sei bisher kein Pure Player aufgetreten, der den Markt durcheinandergewirbelt habe. Dafür verantwortlich seien die spezifischen Merkmale der Branche. Ein großer Anteil der Baumarktprodukte sei in puncto Online-Fähigkeit suboptimal und generell stelle sich das Sortiment untypisch breit dar - ganze 22 Warengruppen zählt das IFH für den DIY-Bereich auf.
"Ein weiterer Grund für den noch recht geringen Online-Anteil ist der Vorteil, dass Kauf und Verarbeitung oder Installation eines Produkts beim Kauf im Geschäft noch am gleichen Tag erfolgen können. Wenn Kunden beispielsweise spontan bei schönem Wetter am Wochenende ein DIY-Projekt umsetzen möchten, geht das einfach über den stationären Kauf", erklärt Stüber.
Als Konsequenz habe der Online-Mindshift auf Konsumentenseite noch weniger stark eingesetzt als in anderen Branchen. "Dies wiegt natürlich die Baumärkte in vermeintlicher Sicherheit, da die Sortimente wenig Online-Eignung zu haben scheinen." Doch im Rahmen von immer kürzer werdenden Zeitspannen für die Lieferung sei es nur eine Frage der Zeit, bis der Online-Anteil auch in diesem Bereich deutlich anziehen werde.

"In der DIY-Branche gibt es bisher noch keinen 'Zalando-Effekt'": Eva Stüber, Mitglied der Geschäftsleitung IFH Köln
Wie ein Sinnbild für die Online-Nachzüglerrolle der DIY-Branche mutete es an, als vor Kurzem bekannt wurde, dass Toom den für den Sommer angekündigten Start seines Online Shops auf das Frühjahr 2019 verschiebt. "Natürlich ist das für die Kunden ärgerlich", räumt Thomas Schwachenwalde, Leiter Cross Channel bei der zu Rewe gehörenden Baumarktkette, ein. Aus Unternehmenssicht sei es aber wichtiger, die Digitalisierung des Angebots kontinuierlich auszubauen. Toom habe in den letzten Jahren seine Warenwirtschaft digitalisiert und sei damit inzwischen in der Lage, stationäre Verfügbarkeiten online abzubilden und den Kunden kanalübergreifende Services wie Click & Reserve zu bieten. "In Verbindung mit unserem engen Filialnetz tut deshalb die Online-Lücke nicht so weh", erklärt Schwachenwalde.
Einer Kette wie Toom gehe es nicht primär darum, möglichst hohe Online-Umsätze zu erzielen. "Wir wollen die Verschiebung von Offline nach Online mitmachen und so die Disruption ein Stück weit aufhalten", beschreibt Schwachenwalde die Online-Strategie seines Unternehmens. Gleichzeitig biete die Digitalisierung aber auch die Chance, das bestehende Geschäftsmodell durch neue Online-Angebote zum Beispiel im Service-Bereich zu ergänzen.
Vorteile für Marktplätze und Nischen-Shops
Was bei Toom noch recht vage klingt, setzt der Mittelständler Eichhorn wesentlich konsequenter um. Das Unternehmen mit fünf Baumärkten in Hessen betreibt seit fünf Jahren mit "Mein Online Baumarkt 24" eine eigene E-Commerce-Marke. "Unsere Märkte befinden sich in ländlichen Lagen mit einem begrenzten Einzugsgebiet. Online können wir dagegen potenziell 80 Millionen Kunden in Deutschland erreichen", schildert Vorstand Stephan Eichhorn die Motivation hinter der Online-Zweitmarke.
Durch das E-Commerce-Geschäft wachse das Einkaufsvolumen von Eichhorn und so könne man auch den stationären Kunden attraktivere Preise bieten. Das DIY-Geschäft sei jedoch sehr situationsabhängig. Produkte mit Warenwerten bis 50 Euro würden Kunden gerne schnell im nächsten Baumarkt kaufen. "Geht es um Projekte wie eine Kellersauna für 2.000 Euro informieren sich die Kunden ausführlich online und bestellen dann auch sehr häufig in Netz." Die Kundenansprache laufe dabei häufig über den Preis: "Ein Preisunterschied von einigen Cent bei Idealo kann den Ausschlag geben." Das Online-Geschäft bleibt für das mittelständische Unternehmen deshalb herausfordernd: Bisher erwirtschaftet Eichhorn erst zehn Prozent seines Umsatzes von 30 Millionen Euro im Internet.

"Im Online-Geschäft kann ein Preisunterschied von einigen Cent entscheiden": Stephan Eichhorn, Vorstand Eichhorn AG/Mein Online Baumarkt 24
Ein ungleich größerer Anteil des Online-Umsatzes im DIY-Bereich entfällt dagegen auf Amazon. Der Online-Gigant kann sich zwar in dem Segment nicht ganz so klar auf Platz 1 positionieren wie in anderen Branchen, doch hilft der Marketplace Amazon, möglichst viele Bereiche in dem breit gefächerten DIY-Sortiment abzudecken.
Auch der 2013 gegründete französische Pure Player Mano Mano setzt auf ein Marktplatzmodell und hat damit auch in Deutschland immer mehr Erfolg - Brancheninsider trauen dem Unternehmen 2018 ein Umsatzvolumen von 500 Millionen Euro zu. "Ein Marktplatzmodell ist definitiv interessant", erklärt dazu Toom-Manager Schwachenwalde. "Alle in der Branche leben vom Dropshipment - da ist der Weg zum Marktplatz nicht so weit." Auch für Toom sei eine solche Strategie in Zukunft vorstellbar. Neben Plattformkonzepten sind Nischen-Strategien im Baumarktbereich ein weiteres Online-Erfolgskonzept: Ein Beispiel dafür ist der Bad- und Sanitär-Shop Reuter.de, der in seinem Segmentbereich eine herausragende Stellung besitzt.
Service-Konzepte als Chance
"Um im Online-Wettbewerb gegen Amazon zu bestehen, müssen sich die Baumärkte als Lösungsanbieter positionieren", ist sich IFH-Expertin Eva Stüber sicher. Auch bei den Toom-Baumärkten der Rewe-Gruppe teilt man diese Ansicht. "Im DIY-Bereich ist mit Online-Service-Konzepten noch mehr möglich als in anderen Branchen", erklärt Cross-Channel-Leiter Schwachenwalde. Schon heute vermittle man lokale Handwerker, künftig sei dafür auch ein Online-Plattformmodell denkbar.
Doch Toom wird damit schneller sein müssen als mit dem auf 2019 verschobenen Online Shop - sonst werden der Rewe-Tochter auch im Service-Bereich E-Commerce-Pure-Player den Rang ablaufen.
Interview: "Im DIY-Bereich gibt es noch gute Chancen für Start-ups"
Der E-Commerce-Experte Lennart Paul sieht für die Online-Baumarktbranche neben großen Herausforderungen noch viel unerschlossenes Potenzial.

Lennart Paul ist Partner von Etribes, verfügt über Erfahrung in der Würth-Gruppe und bloggt unter www.warenausgang.com über B2B-E-Commerce
Herr Paul, Wo steht die DIY-Branche in der Online-Entwicklung?
Lennart Paul: Man sieht, dass sich die etablierten Player sehr schwertun. Bei vielen sind die E-Commerce-Aktivitäten vor allem Lippenbekenntnisse. In der DIY-Branche findet heute flächenbereinigt fast kein Wachstum mehr statt, aber es verschieben sich Marktanteile in den Online-Handel. Davon profitiert vor allem Amazon mit jährlichen Wachstumsraten in dem Segment von 30 Prozent und mehr. Die Etablierten sind schon zufrieden, wenn sie ihren Umsatz halten und mit ihren Online-Aktivitäten die stationären Rückgänge auffangen.
Warum liegt das DIY-Segment in der Online-Entwicklung vergleichsweise weit zurück?
Paul: Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Da ist zum einen die Sortimentsbreite, die es für Start-ups schwermacht, ein konventionelles E-Commerce-Handelsmodell aufzuziehen. Die Anzahl der Sortimentskategorien ist auch relativ schwer in eine kundenfreundliche Shop-Navigation zu übersetzen. Und dann gibt es noch die traditionelle Denkweise bei den stationären Baumarktmodellen, wo die Kunden im Prinzip in einem Hochregallager unterwegs sind und sich die gewünschten Artikel heraussuchen. Diese Denkweise in ein kundenzentriertes E-Commerce-Modell umzuformen, fällt vielen schwer.
Welche Pure Player haben neben Amazon gute Chancen im DIY-Bereich?
Paul: Für mich ist ein Anbieter wie Mano Mano "cutting edge". Die betreiben ein Marktplatzmodell, haben zum Beispiel einen Chat auf der Website, und haben es geschafft, bereits nach vier Jahren auf ein Umsatzvolumen von 250 Millionen Euro zu kommen. Daneben wird Wayfair im DIY-Bereich immer stärker und hat seit einem halben Jahr eine eigene "Baumarkt"-Kategorie. Auch Player wie Conrad und Lidl machen inzwischen online im DIY-Bereich beachtliche Umsätze.
Wie könnte die Online-Baumarktbranche in einigen Jahren aussehen?
Paul: Ich glaube nicht, dass noch große Player dazukommen werden. Mano Mano ist für mich das Top-Start-up in dem Bereich und ich glaube, dass es sich um einen "The Winner takes it all"-Markt handelt. Spannend finde ich, dass es in der DIY-Wertschöpfungskette noch einige coole Ansatzpunkte für Start-ups gibt. Zum Beispiel Magicplan, mit dem man mit einer Augmented-Reality-Anwendung Raumpläne erstellen kann und direkt zur Bestellung der gewünschten Einrichtungsartikel weitergeleitet wird. Aber auch die Stationären können noch viele digitale Ideen adaptieren und beispielsweise "Do it for me"-Montageservices als Plattformmodell anbieten.