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Verschiedene Abo-Commerce-Start-Ups

Dämpfer für Start-ups Abo-Commerce: K(r)ampf um die Box

Kochzauber, Mauz&Wauz, Wummelkiste, Drink-Syndikat
Kochzauber, Mauz&Wauz, Wummelkiste, Drink-Syndikat

Der Hype um das Geschäftsmodell Abo-Commerce hat Ernüchterung Platz gemacht. Das Hauptproblem: Kunden, die ihre Abos zu früh kündigen, und zu hohe Marketing-Kosten.

Seit Mitte Oktober 2015 hat das nächste Abo-Commerce-Opfer einen Namen: Kochzauber, ein E-Commerce-Service-Unternehmen, das seit drei Jahren als wöchentlich Boxen mit Rezepten und Zutaten für drei vollständige ­Gerichte verschickt, wird Ende 2015 eingestellt.

"Das Geschäftsmodell konnte ­unsere Erwartungen nicht erfüllen und somit konnten die anvisierten Ziele nicht erreicht werden", so eine Sprecherin vor Otto-Tochter Mytoys, zu der Kochzauber seit 2013 mehrheitlich gehört.

Die langen Gesichter beim Kochzauber-Team und seinen größtenteils zufriedenen Kunden wollen nicht so recht zu dem Hype um ­Rocket Internets Kochbox Hello Fresh, ­dem Konkurrenten von Kochzauber, passen: Die Box wird mittlerweile mit 2,6 Milliarden Euro bewertet, gerüchtehalber ist demnächst der Börsengang geplant.

Aber Erfolg und Niederlage scheinen im Abo-Commerce grundsätzlich eng bei­einanderzuliegen. Seit 2012 der Hype um dieses Geschäftsmodell begann, schossen neue Start-ups wie Pilze aus dem Boden. Unterwäsche, Socken, Spielzeug, Lebensmittel, Rasierklingen, Tierfutter, Blumen, Schmuck, Kosmetik: Alles Erdenkliche und Unmögliche wurde seither in Kisten gepackt und zu willigen Abonnenten verschickt. Die Businessidee klang verfüh­rerisch - nur einmal einen Kunden überzeugen und dann regelmäßig mit ihm Geld verdienen.

Böses Erwachen

Schon im letzten Jahr setzte allerdings das böse Erwachen ein: Die Meldungen über insolvente Abo-Commerce-Start-ups häuften sich (siehe Kasten). Die Gründe waren mehr oder weniger immer dieselben: Die durchschnittliche Abo-Dauer der Kunden war zu kurz, die Aufwände für die Kundengewinnung und das Sourcing der immer neuen Inhalte zu hoch.

Dazu ­machte das typisch deutsche Misstrauen gegenüber Abo-Fallen den Gründern das Leben schwer. "Die Kernfrage liegt in der Vermittlung des Nutzens für den Kunden", so das Fazit von Gordon C. Thompson, Geschäftsführer der Bastelbox Wummelkiste, die Anfang Oktober Insolvenz ­anmelden musste.

"Wenn Sie Inhalte ­anbieten können, die dem Kunden 10 mal wertvoller erscheinen als das, was er selbst kaufen kann, und das auch noch zu einem guten Preis, dann werden auch die Deutschen ein Abo abschließen. Das ist auf dem Consumer-Markt allerdings schwierig." Oder, wie Florian Spathelf, Geschäftsführer von Meine-spielzeugkiste.de, es formuliert: "Man darf in diesem Geschäft nicht vergessen, dass man nicht primär das Produkt verkauft, das sich jetzt in der ­Kiste befindet, sondern vor allem die Box, die ich auch in zwei Jahren noch verschicken will. Man muss ein Produkt haben, das die Kunden über einen längeren Zeitraum brauchen."

Nachweislich geknackt hat den schwierigen Abo-Commerce-Markt bisher nur ein Unternehmen: Die Rocket-Internet-Beteiligung Glossybox meldete für 2014 erstmals schwarze Zahlen. Seitdem arbeitet der Kosmetikversender Monat für Monat profitabel. Über 200.000 Kunden weltweit beziehen monatlich eine Glossybox.

Eine ­erstaunliche Entwicklung, schließlich sah es eine Zeitlang so aus, als würde Glossybox sich in die Reihe der Abo-Insolvenzen ­einreihen müssen. "In den harten Zeiten hatten wir Investoren, die uns die Treue ­gehalten haben", so Geschäftsführer Charles von Abercron. "Ohne diese Investoren gäbe es Glossybox heute nicht mehr."

Dieser ­lange Atem und das Vertrauen auf Investorenseite hat anderen Boxen-Anbietern wie Tollabox und Wummelkiste gefehlt. Dort vermissten die Kapitalgeber das explo­sionsartige Wachstum, das man von anderen E-Commerce-Start-ups gewöhnt ist, und zogen sich zurück.

Gescheiterte Abo-Commerce-Modelle

Schnelles Wachstum der Abo-Commerce-Start-Ups befriedigt Investoren

Kein Wunder also, dass viele Abo-Commerce-Anbieter, die auf Investorengelder setzen, alles auf Wachstum trimmen und die Profitabiliät vorerst für zweitrangig ­erklären. Mauz & Wauz, ein Abo-Anbieter für Hunde- und Katzensnacks, ist im September 2013 gestartet und fängt jetzt an, europaweit zu versenden. Seit August gibt es ein Büro in New York, das den Weg für Mauz&Wauz in den US-amerikanischen Markt ebnen soll.

"Langfristig wollen wir unsere Box auch nach China bringen", so Geschäftsführer Thomas Pauschen. "Um die Internationalisierung finanziell stemmen zu können, ­planen wir demnächst noch eine größere Finanzierungsrunde." Ähnlich weitreichende Pläne hat auch Meine-spielzeug­kiste.de: In den kommenden Jahren will das Unternehmen, das zurzeit 3.800 Abonnenten hat, mithilfe von TV-Werbung in Deutschland stark wachsen - Geschäftsführer Spathelf sieht ein Potenzial von 100.000 Familien. "Danach könnte es auch ins Ausland gehen. Im Kinder- und Familienbereich sind vor allem die Benelux-Länder, Skandinavien und die östlichen deutschen Anrainerstaaten interessant."

Bootstrapping-Start-ups, die ihre Abo-Boxen mittels Eigenfinanzierung versenden, backen auf der anderen Seite deutlich kleinere Brötchen - oder schreiben ihren Businessplan im laufenden Geschäft um. "Wir gingen anfangs davon aus, dass gut drei Viertel der Bestellungen Abos sein würden und ein Viertel auf die Einzelboxen entfallen würde", erinnert sich Erik Pfauth, Gründer von Drink-Syndikat, einem Start-up, das Boxen mit den Zutaten für exklusive Cocktails verschickt - sowohl im Abo als auch als Einzelausgabe.

Erik Pfauth Gründer von Drink-Syndikat

Erik Pfauth, Gründer und Co-Geschäftsführer von Drink-Syndikat: "Wir gingen anfangs davon aus, dass drei Viertel der Bestellungen Abos sein würden."

www.drink-syndikat.de

"Tatsächlich hält es sich jetzt in etwa die Waage. Das bedeutet mehr logistische Arbeit für uns, entspricht aber andererseits den Kundenwünschen mehr." Ein weiteres Standbein ist das B2B-Geschäft mit gebrandeten Boxen als Kundengeschenk, das Pfauth zwar von Anfang an eingeplant hatte, das sich aber deutlich stärker entwickelt als gedacht.

Überhaupt scheinen viele Abo-Commerce-Start-ups das Prinzip, auf mehrere Standbeine zu bauen, anzuwenden: Pi Tea versendet Überraschungsboxen mit verschiedenen Teesorten, die es nach Erscheinen der Box auch im Online-Shop zu ­kaufen gibt. Blacksocks zog einen Online-Shop für Socken, Unterhosen und Hemden hoch, nachdem die Kunden vermehrt ihre Abos pausieren ließen, weil sich in ­ihren Schränken die noch verpackten ­Basics bereits stapelten.

Foodist unterhält nach dem gleichen Prinzip einen Online-Shop für internationale Spezialitäten und nimmt zusätzlich seine Bestseller für den Vertrieb im deutschen Einzelhandel unter Exklusivvertrag. Glossybox betreibt mit seinen Boxen Marktforschung zu den enthaltenen Kosmetikprodukten und sichert sich mit den Ergebnissen günstige Einkaufskonditionen bei den Herstellern. "Das Abo-Geschäft ist tödlich, wenn man nur ein Produkt hat", so Mauz&Wauz-Chef Pauschen. "Deshalb bauen wir ­gerade den Online-Shop als Zusatzgeschäft auf, auch Eigenmarken sind geplant."

Neue Konkurrenz von etablierten Händlern?

Ein Abo-Commerce-Modell und ein ­Online-Shop als zweites Standbein - diese Idee lässt sich problemlos auch anders­herum denken. Deshalb könnten die Abo-Start-ups zusätzlich zum schwierigen ­Geschäft noch ein anderes Problem ­bekommen: den Einstieg der Hersteller und etablierten Online-Händler ins Abo-Geschäft. Ein Vorreiter ist Douglas.

Das Unternehmen versendet seit 2011 monatlich die "Box of Beauty" und macht Glossybox Konkurrenz. Mittlerweile heißt das Angebot "Doubox" und wurde auf ein Clubmodell umgestellt: Abonnenten bekommen nicht nur monatlich Trendprodukte zugeschickt, sondern erhalten auch zehn Prozent Nachlass im Doubox-Shop, Rabatte und Service-Gutscheine.

Ein ähnliches Modell wäre auch für andere Hersteller und Shops denkbar. Warum kein Socken-Abo von Falke oder ein Blumen-Abo von Fleurop? Mit dem Sourcing hätten solche Player jedenfalls keine Probleme.

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