
Expert Insights Bots: Use Cases und Herausforderungen
Ingo Kamps, freier Online Marketing Consultant und Berater der Electronics Online Group (EOG) der MediaMarktSaturn Retail Group
Ingo Kamps, freier Online Marketing Consultant und Berater der Electronics Online Group (EOG) der MediaMarktSaturn Retail Group
Von Bots wird eine Menge erwartet: Sie sollen Nutzer zu Kunden machen, Verkäufe generieren und die Nutzererfahrung verbessern. Die für Unternehmen entscheidende Frage ist, ob sich die Investition lohnt.
Herr Müller trägt dem digitalen Assistenten in seinem Smartphone auf, Paprika auf seine virtuelle Einkaufsliste zu setzen. Der Assistent antwortet darauf ohne Verzögerung mit passenden Paprika-Rezepten. Kurze Zeit später entscheidet sich Herr Müller für ein Gericht und schon stehen alle notwendigen Zutaten auf der Einkaufsliste.
Ein Online Shop meldet sich per Facebook Messenger bei Frau Meier, die schon seit Jahren Stammkundin dort ist. Neben Geburtstagsglückwünschen wird die baldige Ankunft eines Geschenks angekündigt. Auf Nachfrage erfährt Frau Meier, dass der Inhalt eine Überraschung sei, aber zu ihren vorangegangenen Einkäufen passe.
Ein stationäres Geschäft meldet sich ebenfalls per Messenger bei Frau Schulze, um sie auf eine 30 prozentige Rabattaktion am nächsten Samstag hinzuweisen. Frau Schulze bedankt sich und erhält daraufhin direkt im Messenger einen Gutschein, der ihr weitere Rabatte verspricht.
Das sind drei mögliche Use Cases für die Funktionsweise von Bots, eines der momentan am meisten gehypten Online-Themen. Immer mehr dieser automatisierten Helfer kommen auf den Markt. Sie kommen in Form von digitalen Assistenten auf dem Smartphone, als Stand-Alone-Geräte fürs Wohnzimmer oder einfach über Messenger-Apps.
Von den Bots wird eine Menge erwartet: Sie sollen Nutzer zu Kunden machen, Verkäufe generieren und die Nutzererfahrung verbessern. Die für Unternehmen entscheidende Frage ist dabei gar nicht, ob sie von einem eigenen Chatbot profitieren können, sondern nur, ob sich die Investition lohnt.
Reicht der Nutzen eines Chatbots für das eigene Unternehmen?
Bots sind in der Lage Kundenanfragen 24 Stunden am Tag zu beantworten. Das wird von Konsumenten als große Verbesserung der Nutzererfahrung empfunden, denn sie haben nun einen unterbrechungsfreien Draht zum Unternehmen. Für die Unternehmen bieten Chatbots die Möglichkeit, nicht nur vorhandene Einsparpotentiale im Kundenservice zu heben, sondern gleichzeitig auch den Support zu verbessern. Clever programmierte Bots entlasten nicht nur den eigenen Kundenservice, indem sie aufkommende Fragen beantworten und Probleme lösen, sondern sie können auch jederzeit passende kostenpflichtige Zusatzangebote liefern und abwickeln. Sie bieten also neben der Möglichkeit zur Kosteneinsparung auch eigenes Umsatzpotenzial.
Welche Aufgaben können Bots im Kundenservice übernehmen? Es sind so viele, dass sie sich hier gar nicht aufzählen lassen (Kundendaten aktualisieren, Kontostände abrufen, Transaktionen durchführen, verlegte Passwörter zusenden, Termine vereinbaren, all das sind nur ein paar Beispiele). Um das Potenzial und die Möglichkeiten von Bots noch besser zu verdeutlichen, tauchen wir etwas tiefer in zwei unterschiedliche Branchen ein, die für den Bot-Einsatz geradezu prädestiniert sind: Reisen und Versicherungen.
Bots im Travel-Bereich
In den letzten Jahren haben sich die Kunden daran gewöhnt, ihre Reisen selbständig und online zu buchen. Reiseveranstalter und Fluggesellschaften konnten ihre Kosten dadurch signifikant senken. Dennoch bleiben Reisebuchungen für viele Konsumenten eine aufwändige Angelegenheit: Sie müssen das Reiseziel aussuchen, Flüge buchen, Hotels reservieren, Restauranttipps lesen, Sehenswürdigkeiten recherchieren, nur um irgendwann herauszufinden, dass die Strände viel zu weit von der eigenen Unterkunft entfernt liegen oder doch kein dringend benötigtes WiFi vorhanden ist. Und schon beginnt das Spiel von vorne.
Um sich also umfassend informieren zu können, wenden sich viele Reisewillige also doch wieder per Telefon oder E-Mail an ihren Reiseveranstalter, der wiederum ein erhöhtes Support-Aufkommen bewältigen muss. Wie schön wäre es doch, wenn es eine allumfassende Datenbank gäbe, die all diese Informationen auf Anfrage wie aus der Pistole geschossen servieren könnte. Hier kommen die Chatbots ins Spiel:
Wenn wir bei unserem oben genannten Beispiel bleiben, ist es Bots von Reiseveranstaltern natürlich möglich, Nachfragen nach Sehenswürdigkeiten, Entfernungen zu Stränden und der WiFi-Verfügbarkeit im Hotel zu beantworten. Doch Bots können noch sehr viel mehr: Fragt der Kunde den Bot seines Reiseveranstalters nach einer Flugbuchung, kann der ihm automatisch das passende Hotelzimmer und einen Mietwagen anbieten und somit von der Notwendigkeit der Eigenrecherche entlasten. Bucht der Kunde sogar häufiger beim entsprechenden Reiseveranstalter, weiß der Bot dank vorhandener CRM-Daten möglicherweise sogar, an welchen Hotel- und Mietwagen-Bonusprogrammen der Reisende teilnimmt, wird passende Marken vorschlagen und für die Gutschrift der entsprechenden Bonuspunkte sorgen.
Ebenfalls durch CRM-Daten ist den Reiseanbietern bekannt, dass der Kunde letztes Jahr eine Urlaubsreise im August durchgeführt hat. Es spricht also nichts dagegen, sich durch den Bot zu erkundigen, ob er auch dieses Jahr eine solche Reise plant und Interesse an einem passenden Angebot hat.
Mehr Komfort auf Flugreisen
Auch für Airlines sind Bots ein Segen, denn durch sie können ihre Passagiere sehr personalisiert bedient werden. Ist beispielsweise durch vorherige Flüge bekannt, dass ein Kunde bevorzugt am Fenster sitzt, wird die Anfrage nach einem Check-in automatisch mit der Reservierung eines Fensterplatzes beantwortet. Bei einem verpassten Anschlussflug wird der Bot ebenfalls automatisch aktiv, schlägt passende Alternativen vor, bucht und sendet dem Passagier direkt die Bordkarte und alle notwendigen Informationen zu Abflugzeit, Terminal und Gate. Trifft der Passagier dann an seinem Bestimmungsort ein, erhält er automatisch die Nummer des Gepäckbands, an dem er seinen Koffer abholen kann und die Navigation zum Mietwagenverleih.
Dies sind nur einige Anwendungsfälle, wie die Travel-Branche den Reisenden und sich selbst das Leben erleichtern kann und wird.
Bots von Versicherungen
Wenden wir uns nun der Versicherungsbranche zu. Nachdem viele Versicherungen in den letzten Jahren dazu übergegangen sind, ihre Kommunikation mit den Versicherten zu digitalisieren, avancieren Chatbots zur nächsten Evolutionsstufe in der Beziehung beider Parteien untereinander.
So können Versicherungen ihren Service ausbauen und beispielsweise auf Nachfrage passende Ärzte in der direkten Umgebung des Versicherten vorschlagen. Auch auf Nachfragen nach dem Datum der nächsten Prämienzahlung und deren Höhe sowie Notfallnummern bei Unfällen beantwortet der Bot ohne Verzögerung.
Ebenfalls ein spannendes Feld sind Nachfragen des Versicherten, ob und in welcher Höhe bestimmte Leistungen durch seine Police abgedeckt sind. Das gilt besonders für Gesundheitsversicherungen. Selbst der Versicherungsvertrieb kann über Bots abgewickelt werden, zum Beispiel indem Versicherten interessante Bundles angeboten werden.
Herausforderungen für Bots
Wie bereits erwähnt, wird von Bots eine Menge erwartet und es wird auch noch einige Zeit vergehen, bis auf diese Weise wirklich vollständig automatisierte Customer Relations möglich sind. Die größten Herausforderungen auf dem Weg dorthin sind:
Training der Bots
Um den Nutzern eine befriedigende und zielführende User Experience bieten zu können, müssen die Bots entsprechend trainiert werden. Zu diesem Zweck werden umfangreiche (im Idealfall mehrere Millionen) Datenpunkte gesammelt und in immer stärkerem Maße mit künstlicher Intelligenz ausgewertet, um die Bots ausreichend flexibel zu machen.
Monitoring und Analytics
Der schlimmste Fauxpas für das Anwendererlebnis von Bots sind Sackgassen, in denen es für die Nutzer nicht mehr weitergeht und sie mit ihrem ungelösten Problem alleine gelassen werden.
Durch konsequentes Monitoring müssen potenzielle Conversion-Killer identifiziert und unverzüglich eliminiert werden. Im Notfall muss der Vorgang sofort von einem menschlichen Support-Mitarbeiter aufgenommen und weiterbearbeitet werden.
Kanalkonsistenz und -orchestrierung
Erfolgreiche Kundenbeziehungen sind nicht an einen Kanal gebunden. Konsumenten interessieren sich grundsätzlich nicht dafür, über welchen Kanal sie das Unternehmen kontaktieren, sondern möchten einfach eine Lösung ihres Problems. So können sie die Konversation beispielsweise im Facebook Messenger beginnen, beim nächsten Mal auf die Website gehen und später eine SMS, E-Mail eine WhatsApp-Nachricht senden. Egal welchen Weg der Kunde wählt, muss er sich immer in einer fortwährenden Interaktionskette wiederfinden. Dies stellt Herausforderungen an die Marketing-Automatisierung.
Der Bot als persönlicher Assistent
Momentan konzentriert sich das öffentliche Interesse noch fast ausschließlich auf Bot Enabler, also Unternehmen, die Bots bereitstellen. Doch genau wie beim Sprung vom Desktop auf Mobile werden vollständig neue Player entstehen und ein ganz neues Öko-System geschaffen.
Neben den Unternehmen, die sich mit der originären Bot-Kommunikation beschäftigen, bilden sich Geschäftsfelder unter anderem in den Bereichen Tracking, Training und Schnittstellen-Management (zur Marketing-Automatisierung) und CRM-Integrationen.
Hierzulande sind wir aktuell gar nicht so schlecht aufgestellt: Das Berliner Unternehmen 360dialog beispielsweise bietet eine mobile CRM-Lösung an, die als einzige ihrer Art auch über eine Bot-Integration verfügt. Ein weiterer spannender Anbieter aus Deutschland ist beispielsweise Whatsbroadcast.