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Personen sitzen auf B2B-Schriftsteinen

Eigenen Online-Shop starten Digital Leader im B2B

shutterstock.com/vetkit
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Einen eigenen Online-Shop umzusetzen halten viele B2B-Unternehmen für kompliziertes Hexenwerk. Dabei gelten ähnliche Erfolgskriterien wie im B2C-Online-Handel.

Von Tim Böker

Erst ließ der E-Commerce-Riese Amazon den B2C-Handel weltweit erzittern, jetzt treibt die Furcht vor Amazon Business, aber auch vor anderen internationalen Anbietern wie Zoro Tools oder Screwfix dem internationalen Business-to-Business-(B2B)-Handel den Angstschweiß auf die Stirn. Denn geht es nach den US-Händlern, sollen ­Unternehmen dort künftig alles erwerben können, was sie für ihren beruflichen Alltag benötigen - angefangen von Bürobedarf bis hin zu komplexen Industrieteilen.

Nachdem der Online-Einkauf im privaten Alltag bereits Usus geworden ist, ist der Schritt, die Beschaffung auch beruflich ­online zu organisieren, nur noch klein - und das Potenzial riesig: Marktforscher gehen davon aus, dass der zu verteilende B2B-Online-Kuchen rund zwanzig Mal so groß ist wie der im B2C-Geschäft.

Zaghaftes Vorgehen

Noch aber gehen die B2B-Unternehmen das Thema eher verzagt an. In einer Studie des Shop-Software-Anbieters Intershop aus dem Jahr 2013 hielten 80 Prozent der B2B-Unternehmen eine E-Commerce-Strategie zwar für wichtig, um weiterhin ­Marktanteile zu gewinnen, aber nur 16 Prozent von ihnen wollten digitale Leader in ihrem Bereich werden.

Obwohl hier der Kampf um Bestands- und Neukunden entschieden werden wird, ist die Angst vor den Schwierigkeiten bei der Transformation vom Außendienstvertrieb zum Online-Selfservice groß. Dabei decken sich 85 Prozent der Funktionen und Features eines B2B-Shops mit ­denen eines B2C-Shops.

Lediglich die letzten 15 Prozent machen es erforderlich, dass die Unternehmen die Brille ihrer Kunden aufsetzen und mit individuellen Features und Funktionen deren Bedürfnisse online so erfüllen, wie es bislang der Außendienstmitarbeiter vor Ort tat. Allerdings sind es genau diese 15 Prozent, die online einen Leader vom Loser unterscheiden und dazu führen, dass die Kunden bei ihm und nicht bei der Konkurrenz einkaufen.

Erfahrung schlägt Amazon

Hier jedoch liegt auch der entscheidende Wettbewerbsvorteil gegenüber den Allesanbietern wie Amazon & Co. Denn der ­eigene Außendienst weiß aufgrund langjähriger Erfahrung ganz genau, wie seine Kunden arbeiten und welche Services sie erwarten. Bei der Online-Konkurrenz muss dieses Wissen erst erarbeitet werden.

Wichtigstes Erfolgskriterium für einen B2B-Shop ist die Nutzerführung. Denn für einen B2B-Nutzer ist Zeit Geld. Er geht nicht shoppen, sondern beschafft Arbeitsmittel. Hilft ihm ein Online-Shop bei seinem täglichen Beschaffungsmanagement Zeit zu sparen, führt dieser Mehrwert ­dazu, dass B2B-Kunden immer wieder ­online bestellen.

Damit dies funktioniert, muss ein B2B-Shop so aufgebaut sein, dass der Kunde ihn auf Anhieb versteht. Eine intuitive Navigation sowie das Einbinden gelernter Usability-Standards aus dem B2C-Handel sind wesentliche Erfolgsfaktoren. Schließlich ist auch ein professioneller Einkäufer nur ein Mensch und hat sein Online-Einkaufsverhalten bei Amazon, Ebay oder Zalando gelernt.

Entsprechend erwarten auch Business-Einkäufer, dass sie das Sortiment auf einen Blick erfassen können, die Suche an ­gewohnter Stelle platziert ist und sie in möglichst ­wenigen Schritten zum gesuchten Produkt geführt werden.

Mit drei Klicks zum Produkt

Ein Beispiel für eine gelungene Nutzerführung ist der Händler für Industriebedarfsgüter Grainger. Der B2B-Shop basiert auf einer sehr einfachen, klassischen Plattformstruktur, die der Kunde aus der B2C-Welt kennt. Eine detaillierte linke Navigationsleiste bietet einen extrem schnellen Überblick über das gesamte Sortiment und führt den Kunden mit wenigen Klicks zum gewünschten Produkt. Besonders nutzerorientiert ist das "Bulk Order Pad", bei dem die Kunden nur noch Artikelnummer und Stückzahl eingeben müssen und so die Bestellung auf den Weg bringen.

Zur gelungenen Nutzerführung zählt auch, potenziellen Kunden schon auf der Startseite das Gefühl zu geben, dass das Sortiment den eigenen Bedürfnissen ­genügt. Doch gerade B2B-Anbieter mit riesigen Sortimenten und heterogenen Zielgruppen stehen hier vor der Herausforderung, den verhältnismäßig kleinen Platz der Startseite optimal zu nutzen.

Unterschiedliche Produktzugänge

Eine gute Möglichkeit sind unterschiedliche Produktzugänge, wie sie im B2B-Shop von Contorion zu sehen sind. In der linken Navigationsebene sind die unterschiedlichen Kategoriezugänge schon in der zweiten Ebene ausgeklappt, was zu einem sehr schnellen Sortimentsüberblick führt.

Daneben hat Contorion einen digitalen Werkstatteinrichter, mit dem die Kunden ihre Werkstatt ihrem persönlichen Bedarf entsprechend konfigurieren und als Sammelbestellung verschicken können. Auch funktionale Themenzugänge finden sich auf der Contorion-Startseite, indem beispielsweise "Befestigungstechnik" oder "Handwerkszeug" gebündelt wird. Dem Kunden vermittelt Contorion Serviceorientierung und das Gefühl, im Shop gut aufgehoben zu sein.

To-Dos im B2B

Apropos gut aufgehoben: Während B2B-Anbieter darauf bauen, dass zwischen ihnen und ihren Käufern ein nicht selten in langen Jahren gewachsenes Vertrauensverhältnis besteht, der Außendienstmitarbeiter also "seine Pappenheimer kennt", spricht ein B2B-Online-Shop nicht mehr nur bestehende Kunden an, sondern erreicht im Idealfall über das Web auch neue Zielgruppen, die in Sekundenschnelle Vertrauen zum Anbieter aufbauen.

Einen Vertrauensvorsprung gewinnen B2B-Online-Anbieter beispielsweise schnell durch Online-Shop-Prüfsiegel, die potenzielle Kunden bereits aus dem B2C-Online-Handel kennen. Auch die ­Angabe von Referenzen kann gerade bei großen Aufträgen die Kaufentscheidung positiv beeinflussen. Weniger anonym wirkt ein B2B-Shop, wenn reale Mitarbeiter in Videos Produkte erklären oder als Ansprechpartner für Fachanfragen in der Kunden-Hotline zur Verfügung stehen.

Noch mehr Arbeit

Das meistgehörte Argument gegen den B2B-Einkauf im Web ist vermutlich: "Das macht nur noch mehr Arbeit und dauert noch länger." Um dem entgegenzuwirken, müssen B2B-Anbieter ihren Kunden bei den täglichen Bestelltätigkeiten genau auf die Finger gucken. Durch Beobachtung und persönliche Kundengespräche können Shop-Betreiber schnell eine Liste mit Features zusammenstellen, mit denen sich ihr Shop von denen der Konkurrenz positiv ­abhebt.

Der Baugroßhändler Layer hat dies beherzigt und in seinem Webshop branchenabhängige Startseiten für unterschiedliche Zielgruppen realisiert. Auf dem B2B-Marktplatz von Kwerk können Techniker und Ingenieure mithilfe zahlreicher Berechnungstools und einem intelligenten Angebotsmanagement online ganze Bauprojekte kalkulieren. Und bei dem Web­shop für Verpackungen, Rajapack.de, sorgen unter anderem hilfreiche Konfiguratoren dafür, dass B2B-Kunden schnell das für sie richtige Verpackungsmaterial finden.

Mit Multichannel punkten

Der größte Wettbewerbsvorteil, den der klassische Handel gegenüber reinen ­Online-Pure-Playern hat, ist die stationäre Präsenz. Auch im B2B-Handel ist es sinnvoll, Online-Kanal und stationäre Welt so miteinander zu verknüpfen, dass für den Kunden ein Mehrwert entsteht. Die simpelste Möglichkeit ist die Integration eines Filialfinders, wie dies beispielsweise der ­Office-Ausstatter Staples macht.

Doch wer unterschiedliche Kundentypen und Kaufanlässe für seine Produkte genau analysiert, wird noch weitere Möglichkeiten der Verzahnung finden. Allerdings: Nicht selten wird die eigene Multichannel-Strategie von Mitarbeitern ausgebremst, die Angst haben, zu hohe Online-Umsätze könnten langfristig den eigenen Job kosten. Dies sollten Unternehmen auf keinen Fall unterschätzen und jeden Mitarbeiter von Anfang an in allen Projektphasen in die Integration miteinbeziehen.

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