
Die Kundenbindung ist im B2B-Handel sehr hoch. Entsprechend schwer tun sich digitale Neuanbieter, gewachsene Beziehungen zu sprengen. Doch die junge Generation bringt Schwung in den Markt, weiß Kai Hudetz vom IFH Köln.
Vor der Coronapandemie waren Fax und Telefon im B2B-Handel gängige Kommunikationsmittel. Doch die Krise zwang zum Umdenken und zur Einführung von digitalen oder von Remote-Modellen. Zur Überraschung aller funktionierte der Umstieg fast problemlos.
Und die Kunden lernten die Vorteile des digitalen B2B-Commerce schnell zu schätzen. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln, analysiert den B2B-Markt schon seit Langem unter ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten. Im Interview erzählt er, worauf Unternehmen sich einstellen müssen und warum Innendienstler Schorsch für jeden, der Digitalisierung im B2B-Handel vorantreiben will, eine echt harte Nuss ist.
Auch der B2B-Handel wurde dank Corona digitaler. Welche Online-Umsatzentwicklung erwarten Sie für die kommenden Monate?
Kai Hudetz: Auf den Gesamtmarkt bezogen ist der Effekt deutlich geringer als im B2C-Bereich. Das liegt daran, dass manche Branchen, beispielsweise die Automobil- oder die Pharmaindustrie, schon seit Jahrzehnten EDI nutzen. Für Kleingewerbetreibende hat sich das von den Rüstkosten her aber nie gelohnt. Jetzt allerdings wird auch bei allen Kleingewerbetreibenden durch-digitalisiert, die sich mit ihren Angeboten, vornehmlich MRO-Produkte und C-Teile, an Handwerker, Rechtsanwälte oder Ärzte richten. Überall dort, wo der Endabnehmer eine Person ist, erwarten wir zweistellige Wachstumsraten. Denn für die bedeutet es einen echten Qualitätsgewinn, wenn Daten direkt in ihre Systeme fließen und auf Knopfdruck die Rechnung kommt.
"Der Außendienst muss stärker eine beratende Funktion einnehmen"
Ist das der schon lange prognostizierte Todesstoß für den Außendienst?
Hudetz: In der Coronakrise konnte man den interessanten Effekt beobachten, dass Unternehmen Umsatz machten, obwohl der Außendienst nicht zu seinen Kundinnen und Kunden fahren durfte - einfach, weil andere Kanäle gut funktionierten. In dieser Zeit hat sich die B2B-Kundschaft daran gewöhnt, online zu bestellen - und das bringt den Außendienst natürlich noch stärker als bisher in die Diskussion, denn er ist teuer und aufwendig. Doch ihn einfach abzuschaffen, ist auch keine Lösung. Gute Unternehmen verstehen, dass es eine Mischung zwischen Push und Pull geben muss. Würth zum Beispiel ist extrem digital getrieben und hat trotzdem einen riesigen Außendienstapparat. Denn die Kundinnen und Kunden wollen verschiedene Optionen haben. Wir sehen seit Jahren in Studien, dass es nicht ihr Wunsch ist, dass ihr Außendienstler gar nicht mehr kommt. Er soll vielfach aber nicht mehr so oft auf den Hof rollen. Routinebestellungen erledigen die Unternehmen inzwischen lieber abends online vor Geschäftsschluss oder sie kaufen auf dem Weg von der Baustelle fehlende Teile noch schnell in 24/7-Flächenkonzepten mit Self-Checkout ein.
Der Außendienst muss hingegen künftig stärker eine beratende Funktion einnehmen. Was man auch nicht unterschätzen darf, ist die Tatsache, dass ein Vertriebler nicht nur noch von Kompetenz lebt, sondern auch von Empathie. Es wird noch eine Weile dauern, bis künstliche Intelligenz ähnlich empathisch und in der Lage ist, Zusatzkäufe zu platzieren. Das aus dem B2C bekannte Motto "Kunden, die dieses kauften, kauften auch das" funktioniert im B2B nicht so einfach.
Müssen sich B2B-Unternehmen mit Onlinemarktplätzen auseinandersetzen?
Hudetz: Auf jeden Fall. Plattformökonomische Ansätze werden sich auch im B2B durchsetzen. Wir sehen an Anbietern wie Mercateo oder Amazon Business, dass sie sich augenscheinlich gut entwickeln. Für viele Produkte, wo es nur darum geht, schnellstmöglich ein Bedürfnis zu befriedigen – und das zu einem vernünftigen Preis -, wird die Plattform zur echten Alternative, zumindest für die junge Generation, die es gewohnt ist, alles online zu bestellen. Aktuell tun sich viele Unternehmen, die versuchen, über eine Plattform langfristig den Zugang zu ihren Kundinnen und Kunden zu kontrollieren, noch schwer. Denn die Kundenloyalität im B2B-Bereich ist extrem hoch. Im Normalfall arbeiten Handwerker seit Jahren mit maximal einer guten Handvoll Lieferanten zusammen, und wenn sie etwas brauchen, rufen sie dort an und sagen: "Schorsch, schick mir doch wie immer meine Sachen auf die Baustelle." Diese Customer Experience kann eine App fast nicht überbieten. Aber die nachfolgenden Generationen haben eben noch nie beim Schorsch angerufen, sondern von eh und je online bestellt.
"Am Ende ist nicht der Preis entscheidend, sondern die Transaktionskosten"
Aber ist es nicht ein Problem, dass viele Plattformen gar nicht die komplette Customer Journey abbilden,
sondern maximal die Kaufanbahnung unterstützen? Der Kauf findet dann ja vielleicht doch wieder über das Fax statt?
Hudetz: Absolut. Die Plattformen müssen es den Kundinnen und Kunden bequem machen. Am Ende des Tages ist nicht der Preis entscheidend, es sind die Transaktionskosten, die zählen. Unternehmen wollen erreichen, dass sich ihre Mitarbeiter so wenig wie möglich mit Beschaffung beschäftigen müssen, sondern arbeiten und Rechnungen an die Kundinnen und Kunden schreiben. Wenn eine Plattform diese Prozesse nicht optimiert, wird sie keinen Erfolg haben. Und wenn wir ehrlich sind, gibt es im B2B ja viel mehr Ansätze, die nicht funktionieren, als solche, die funktionieren. Procato war hier das beste Beispiel. Das war mehr oder minder nur eine Preissuchmaschine, wo die Prozesse dahinter nicht passten. Amazon hingegen ist in einer vergleichsweise guten Position. Die haben verstanden, dass Bequemlichkeit und Zeitersparnis die relevanten Treiber sind, und haben ihre Features entsprechend optimiert.
Ein strittiger Punkt ist häufig die Frage, ob Webshops offen oder geschlossen sein sollten. Wie lautet Ihre Empfehlung?
Hudetz: Da gibt es pauschal kein Richtig oder Falsch. Aber auf lange Sicht werden Unternehmen wohl nicht umhinkommen, offene Preise anzubieten - zumindest wenn sie das Ziel haben, neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen. Die erwarten offene Preise, weil sie diese Transparenz aus dem B2C kennen. Allerdings sind viele Unternehmen darauf nicht vorbereitet, weil sie jedem Kunden und jeder Kundin einen anderen Preis geben, abhängig von Mengenstaffeln, Kundenhistorie oder Zahlverhalten. Und wer dann noch beim Außendienst anruft, bekommt noch mal ein wenig Rabatt. Diese Preisbänder müssen sich zusammenziehen, wenn man einen offenen Shop betreiben will. Ansonsten gewinnt man im schlimmsten Fall entweder keine neuen Kundinnen und Kunden, weil der Preis, den man offen ausweisen kann, naturgemäß der schlechteste sein muss. Oder man läuft Gefahr, seinen bestehenden Kundenstamm zu verärgern, weil Neukundinnen und -kunden bessere Konditionen erhalten. Der Preis ist eine scharfe Waffe. Und die kann man sich leider auch gut in den eigenen Fuß hacken.
Kai Hudetz können Sie am 30. November auch auf unserer Hybrid-Konferenz OnlineB2B in München und digital erleben. Er hält die Keynote zum Thema: "B2B-Handel der Zukunft: Digital, kundenzentriert, serviceorientiert?!" Mehr Informationen und Tickets gibt es online unter www.onlineb2b.de.