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Preisschilder

Klaus Forsthofer zu Pricing auf Marktplätzen "Wichtiger als ein Repricing-Tool ist eine ordentliche Controlling-Software"

Shutterstock/pics five
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Beim Thema Pricing scheiden sich im Marktplatz-Business die Geister. Kanalspezifische Preise fordern die einen, den günstigen Preis nur für den eigenen Onlineshop die anderen. Eine Einordnung gibt ACE-Geschäftsführer und Marktplatz-Coach Klaus Forsthofer.

ACE ist auf Produkte rund um die Arbeitssicherheit spezialisiert und einer der führenden Fachdistributoren für Atem-Alkohol-Messtechnik im deutschsprachigen Raum. Mit seinem Online-Versandhandel ist das Unternehmen neben dem eigenen Webshop auch auf Online-Marktplätzen präsent. Mit ACE-Geschäftsführer und Marktplatz-Coach Klaus Forsthofer haben wir über Preisstrategien, Markt-Missverständnisse und Listing-Hebel gesprochen.

Herr Forsthofer, seit 20 Jahren ist Ihr Unternehmen im Onlinehandel aktiv. Welche Pricing-Strategie hat sich nach Ihren Erfahrungen als optimal erwiesen, um Produkte im eigenen Onlineshop und auf verschiedenen Marktplätzen zu vertreiben?
Klaus Forsthofer: Es gibt verschiedene Konzepte, die man in unterschiedlichen Situationen verfolgen kann. Das Wichtigste ist, dass die Preisstrategie mit den Unternehmensgesamtzielen im Einklang ist.
 
Welche Preisstrategie verfolgt ACE?
Forsthofer: Wir sind bei ACE ein Freund von "customer should choose". Das heißt, wir selbst verfolgen eine Preispolitik, die über die Vertriebskanäle identisch oder zumindest sehr ähnlich ist. Wir finden es kundenzentriert, wenn wir Kundinnen dadurch auch signalisieren: "Hej, du brauchst bei ACE nicht weitersuchen, da wo du bist, ist für dich das beste Angebot." Wir glauben daran, dass Kundinnen grundsätzlich dort kaufen wollen, wo sie zuerst auch die Suche starten. Und wir finden, dort gehört auch abgeholt und kein Irrlauf der Kanäle gestartet.

Pricing Deep Dive

Warum für die Kalkulation auf Amazon über 60 Preispunkte beachtet werden müssen

Klaus Forsthofer ist Mitbegründer der deutschen ACE Handels- und Entwicklungs GmbH und seit über 6 Jahren erfolgreicher Amazon Seller und Vendor in Europa und Nordamerika. 2017 wurde er offizieller Amazon-Coach im Amazon-Programm "UnternehmerInnen der Zukunft" und hält Vorträge, Workshops und Schulungen für Amazon. Er ist Co-Founder und Managing Partner von MarktPlatz1, der größten Amazon-Agentur in Österreich und unter den Top-Agenturen in Deutschland, sowie gefragter Speaker auf Amazon-Konferenzen.

So auch auf der diesjährigen AmazonWorld Conference, die am 27. und 28. September in München stattfindet. Sein Vortragstitel: "Pricing Deep Dive: Warum für die Kalkulation auf Amazon über 60 Preispunkte beachtet werden müssen"

Infos und Tickets: www.amazon-world.de

Von persönlichen Zielen abhängig

Ist so eine Preisstrategie für jeden E-Commerce-Anbieter geeignet?
Forsthofer: Dieser Ansatz ist hauptsächlich für Anbieter geeignet, die viel Direktgeschäft haben und die Kontrolle über Produkte auf Vertriebskanälen ausüben können. Oft gibt die eigene Produkt- oder Preis-Landkarte das aber nicht her, weil zum Beispiel auch andere interne Gesellschaften, Landes-Tochterunternehmen beziehungsweise Vertriebspartner diese Produkte distribuieren. Dann wird es meistens schwieriger. Trotzdem bleibt die Antwort von persönlichen Zielen abhängig. Wie wichtig ist Umsatz vs. Deckungsbeitrag 2 oder Deckungsbeitrag 3. In der Praxis setzen hier professionelle Anbieter eine Preis-Unter- und -Obergrenze und entscheiden sich für eine Repricing-Strategie, welche am häufigsten "Buybox" lautet. Eine solche Strategie
versucht, die Buybox für das eigene Angebot zu erreichen.

Aber die Buybox auf Amazon ist stark umkämpft...
Forsthofer: Was hier auf jedenfalls immer hilfreich ist: das eigene Verkäuferkonto am Marktplatz in gutem Zustand zu haben - das bringt Extrapunkte für die Buybox. Diese beliebte Buybox-Strategie bedeutet aber leider oft auch, dass bei mehreren Anbietern die Preisuntergrenzen schnell erreicht sind und das Handelswarenprodukt am Margenminimum verläuft. Mit einem gesunden Verkäuferkonto könnte auch eine Gleichpreis-Strategie Sinn machen. Das heißt: Ich ziehe mit dem günstigsten Anbieter auf Parität, bekomme aber die Buybox wegen meiner Qualität am Marktplatz.

Pricing ist komplex. Wo lauern nach Ihrer Einschätzung die größten Fallstricke?
Forsthofer: Als Berater treffe ich oft auch Unternehmen, die auf ihrem Webshop am günstigsten anbieten möchten, um auf die Markenbildung einzuzahlen. Davon raten wir ab. Muss beispielsweise ein Amazon-Kunde wegen des Preisabstands im Webshop kaufen, wird das Einkaufserlebnis per se schon gemindert beziehungsweise entsteht auch die Gefahr, schon entschlossene Kunden dann an andere Marken zu verlieren, weil diese homogene Preisstellungen anbieten. Bei kleinpreisigen Produkten unter 20 Euro wird die Preisvergleichsbereitschaft der Kunden oft überschätzt. Häufig wird am primären Kanal danach gesucht, und es wird dann oft am ersten Touchpoint bestellt. Je höher der einzelne Produktpreis, desto wahrscheinlicher der Preisvergleich.

Faustformel von 20 Produkten

Sie haben die dynamische Preisgestaltung schon angesprochen. Muss man Repricing-Tools in seine Strategie einbinden?
Forsthofer: Das kommt stark auf die Komplexität an. Habe ich nur einige wenige Produkte im Direktvertrieb kann ich mir auch überlegen, darauf zu verzichten, und manuell justieren. Hier gilt für viele die Faustformel von 20 Produkten. Häufig wird es aber mit der Produktanzahl und der Anzahl an Vertriebskanälen komplex. Das heißt: Nur wenige Anbieter kommen an Repricing-Tools vorbei. Fast noch wichtiger als ein Repricing-Tool finde ich eine ordentliche Controlling-Software, mit der ich auf Artikel- und Transaktionsebene meine Deckungsbeiträge ermitteln kann.

Forsthofer

Klaus Forsthofer ist Mitbegründer der deutschen ACE Handels- und Entwicklungsgesellschaft.

ACE



Könnten Sie das bitte etwas näher erläutern…?
Forsthofer: Oft unterschätzen Anbieterinnen die Vielzahl an Gebühren und Steuern, die auf das jeweilige Listing zutreffen können. Zudem ist eine kurzfristige Betrachtung im "Hier und Jetzt" oft nicht zielführend, weil später Retouren gebucht werden oder die monatlichen Lagerkosten umgelegt werden müssen. Ohne Transparenz durch smartes Vermessen ist eine akkurate Ausrichtung oder gar Verbesserung oft gar nicht möglich. Dadurch werden Preisuntergrenzen in der Praxis zu niedrig gesetzt. 

Einzelne Tools sind zu kurz gesprungen

Man hört mitunter, dass Marktplätze Händler abstrafen, wenn der Preis im Webshop günstiger ist als auf dem Marktplatz. Können Sie das bestätigen - und was bedeutet das für die Pricing-Strategie insgesamt?
Forsthofer: Dass Amazon Preise auch außerhalb der Plattform scannt, dürfte Marktplatzteilnehmerinnen bekannt sein. Das ist auch einer der Gründe, warum wir bei uns selbst eine homogene Preisgestaltung wählen, um gegebenenfalls nicht an Sichtbarkeit/Buybox zu verlieren. Es ist auch davon auszugehen, dass andere Marktplätze ähnliche Mechanismen verwenden.

Was können Sie raten?
Forsthofer: Ich denke, die Materie ist so komplex, dass einzelne Tools zu kurz gesprungen sind. Denn die sind nur so gut, wie ich diese konfiguriere. Daneben kann ich nur empfehlen: testen, testen, testen, und zwar nur mit kleinen Preissprüngen bis maximal zehn Prozent je Preisschritt. Produktpreispunkttests erfordern Geduld, den Mut, einen Preispunkt einige Tage stehenzulassen, sowie eine gute Dokumentation. Der Messwert ist im Grunde die Conversion-Rate nach zehn Tagen versus Conversion-Rate vorher.

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