
Amazon will Händler und Hersteller für sein FBA-Programm stärker zur Kasse bitten - eine gute Gelegenheit für einen Marktplatz-Verfolger, ein attraktives Alternativangebot zu präsentieren. Doch die Konkurrenz ziert sich.
Anfang des Jahres schloss Otto seine Logistiktochter Ondemandcommerce (odc). Das Unternehmen wurde 2018 gegründet, Zielgruppe waren kleine und mittelständische Unternehmen. Zu den angebotenen Leistungen gehören Warenannahme, Lagerung, Pick & Pack, Versand und Retourenabwicklung. Otto Market, der Marktplatz von Otto, hatte odc als "präferierten Service-Anbieter" für die Abwicklung des Fulfillments gewählt. Quasi jeder Branchenbeobachter las damals die Pressemitteilung und dachte sich: "Ah, endlich ein Konkurrent für FBA!"
Knapp drei Jahre später stellte sich heraus: Otto hat zwar Lust auf Marktplatz - seit die automatische Anbindung den Onboarding-Prozess erleichtert, entwickelt sich der Otto Market recht erfreulich - aber nicht auf Logistik. Denn Endkundenlogistik ist vor allem eines: furchtbar teuer.
Teure Logistikflächen
Selbst Amazon verdient nicht viel an Logistik. Das ließ sich in diesem Jahr auch aus den Geschäftsberichten von Amazon herauslesen. Die Fulfillment-Kosten stiegen 2020 um fast 45 Prozent. Vor allem in Europa schlagen sich die Logistikkosten enorm in der Bilanz nieder: Hier sind Logistikflächen teurer als in den USA, auch Auflagen und Regularien verzögern und verteuern den Ausbau des Logistiknetzwerks.
Gleichzeitig hat die Corona-Krise vor allem in Europa eine Menge neuer Marken gezwungenermaßen in die Arme von Amazon und FBA getrieben: Wer noch nicht weiß, wie E-Commerce funktioniert und keine eigene Endkundenlogistik hat, für den ist FBA eben der einfachste Einstieg ins neue Geschäftsfeld.
Die Folge: Amazon kann gar nicht so schnell neue Lagerhallen aus dem Boden stampfen, wie sie gefüllt werden. Was sich aus einer hohen Nachfrage und einem niedrigen Angebot ergibt, weiß jeder Kaufmann. Und bei der jüngsten Preiserhöhung bei FBA im Juni wird es nicht bleiben. Amazon zieht auch in anderen Bereichen die Daumenschrauben an. Bei Vendoren wird jetzt schon weniger bestellt als gewohnt, Seller müssen sich seit Neuestem mit Lagerbestandsmaxima herumschlagen. Seit Jahren schon wird es kurz vor dem Weihnachtsgeschäft eng im Amazon-Lager, und die Saisonpreise steigen Jahr für Jahr.
Kein ernsthafter Konkurrent
Das alles kann sich Amazon auch deshalb leisten, weil weiterhin kein ernsthafter Konkurrent für FBA in Sicht ist. Zalandos ZFS ist auf ausgesuchte Marktplatzpartner beschränkt und nur für Modemarken interessant.
ebay Fulfillment kann zunächst einmal mit fairen Preisen punkten. Die liegen leicht über denen von FBA, bieten aber mit dem günstigen Multichannel-Versand einen echten Mehrwert, der auch die Realitäten der meisten eBay-Händler (die in der Regel nicht ausschließlich über eBay verkaufen) trifft. Doch wie so oft bei guten Ideen von eBay fehlt auch dem Fulfillment-Angebot etwas Entscheidendes - in diesem Fall die Retourenabwicklung.
Die getrennte Abwicklung von Bestellversand und Retourenabwicklung verkompliziert die Prozesskette unnötig und dürfte für viele Händler ein Ausschlusskriterium sein. eBay arbeite an einer Retourenlösung, heißt es dazu aus Dreilinden - aber das heißt es seit zwei Jahren.
Führt also doch kein Weg an FBA vorbei, wenn man sorgenfreie Versandlogistik sucht? Ein kleiner Denkanstoß: Bei Schuhe24 einem der 14 Marktplätze von The Platform Group, können alle verkaufenden Händler ihre Waren im Zentrallager der Gruppe einlagern und verschicken lassen. Auch Retouren werden bearbeitet. Das alles gibt’s für 1,50 Euro pro Pick-Vorgang, ohne Lagergebühren.
Vielleicht existieren sie ja doch, die FBA-Alternativen.
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