
Start-up trifft Auto-Pionier: Der US-amerikanische E-Autohersteller Rivian will gemeinsam mit Mercedes-Benz ein Werk für elektrische Lieferwagen bauen. Amazon ist an Rivian beteiligt und nutzt bereits heute Fahrzeuge beider Unternehmen für die Auslieferung.
Die Deutsche Post hat es 2014 vorgemacht: Als kein Hersteller in der Lage war, dem gelben Konzern die E-Fahrzeuge zu liefern, die der für die Belieferung der Letzten Meile benötigt, übernahm die Post 2014 ein kleines Spin-off der Uni Aachen, das einen batteriebetriebenen Leichtlieferwagen entwickelte: Das Projekt StreetSccoter war geboren.
Es half der Post dabei, tatsächlich in Ballungsräumen emissionsfrei unterwegs zu sein. Ob sich das Investment auch finanziell gelohnt hat, steht auf einem anderen Blatt. Als die Post StreetSccoter 2021 wieder verkaufte, stand ein dreistelliger Millionenbetrag als Minus in den Büchern.
eSprinter laufen bereits in Deutschland
Auch Amazon sucht intensiv nach Wegen für eine Elektrifizierung seiner Flotte. In Europa setzt der Konzern dazu auf Fahrzeuge von Mercedes-Benz. Rund 1.800 Exemplare des elektrischen Kastenwagens eSprinter und seines kleineren Bruders eVito bereichern bereits seit drei Jahren die Flotte des Online-Riesen - knapp die Hälfte davon läuft in Deutschland.
In den USA sind Amazons Ambitionen größer. Seit 2021 laufen E-Fahrzeuge des Start-ups Rivian (Bild) bei Amazon in der Erprobung. 100.000 Elektro-Lieferwagen soll Rivian bis 2030 für Amazon bauen, vereinbarten beide Unternehmen im Jahr 2019 - ein Mega-Deal im Umfang von rund vier Milliaden US-Dollar. Damit es dazu überhaupt kommen kann, investierte Amazon 700 Millionen US-Dollar in die junge Firma, die zuvor lediglich einen Luxus-Pickup entwickelt hatte. Dessen Serienfertigung wurde dann jedoch für den Amazon-Deal hintangestellt.
Rivian-Investment sorgt für schlechte Quartalszahlen
Dieses Investment bereitet Amazon bis heute Sorgen. Nach einem spektakulären Börsengang Ende 2021, der die Rivian-Firmenbewertung auf fast 130 Milliarden US-Dollar trieb, ließen schlechte Quartalszahlen den Kurs der Aktie um rund 75 Prozent abstürzen. Amazon hatte vor dem Börsengang groß in Rivian investiert, zu Spitzenzeiten waren die Anteile 27 Milliarden wert. Doch 2022 musste Amazon insgesamt 11,5 Milliarden US-Dollar wegen Rivian abschreiben - der Grund für schlechte Amazon-Quartalszahlen trotz sprudelnder Gewinne im operativen Geschäft.
Jetzt wollen sich die Amazon-Lieferwagen-Lieferanten auf beiden Seiten des Atlantiks zusammentun. "Beide Unternehmen haben eine entsprechende Absichtserklärung für eine strategische Partnerschaft unterzeichnet", teilte Mercedes-Benz am 8. September 2022 mit. Dabei wollen die Firmen "Investitionen und Kosten teilen sowie operative Synergien heben, um die Produktion von Elektrotransportern schnell zu skalieren". Geplant ist demnach ein gemeinsames Werk an einem bereits bestehenden Mercedes-Standort in Osteuropa. Dort sollen sowohl Fahrzeuge entstehen, die auf der bereits entwickelten Rivan-Plattform basieren, als auch solche, die auf einer neu entwickelten Mercedes-Basis aufsetzen.
Inwieweit das neue Werk dazu beitragen kann, die ambitionierten Amazon-Pläne für eine Elektrifizierung seiner Lieferflotte voranzutreiben, bleibt abzuwarten. Ursprünglich hätten in den USA bereits Ende 2022 zehntausend elektrische Rivian-Vans laufen sollen. Die ersten Fahrzeuge sind bereits im Einsatz, aber bei der Stückzahl hinkt Rivian noch hinterher.
Kauft Amazon auch Mercedes-Benz?
Ob Amazon nach seinem Rivian-Engagement jetzt auch bei Mercedes-Benz einsteigt? Finanziell in der Lage wäre der Handelskonzern dazu ohne weiteres. Aktuell ist Mercedes an der Börse rund 80 Milliarden US-Dollar wert - die Marktkapitalisierung von Amazon liegt bei 1,3 Billionen, etwa dem 15-Fachen.